Das Gehör lässt sich relativ einfach schützen, dennoch gibt es nach wie vor viele arbeitsbezogene Erkrankungen des Gehörs. Dies kann verschiedene Ursachen haben. Die häufigsten sind subjektive Unterschätzung der schädigenden Wirkung von Lärm und ungenügende Aufklärungsarbeit. Daher soll dieser Artikel erklären, was bei übermässigem Lärm mit dem Gehör passiert, ab wann Schäden entstehen und wie man sich am besten davor schützt.
Ein Gehörschutz am Arbeitsplatz muss ab Schallpegeln von über 85 Dezibel getragen werden. Die Dezibelskala ist eine Referenzskala. Es wird also der vorherrschende Schalldruck gegen einen vorbestimmten Referenzschalldruck gemessen. Der Referenzschalldruck liegt bei 20 Mikropascal, was der absoluten Hörschwelle bei einer Frequenz von 1000 Hertz entspricht. Die hörbaren Frequenzen reichen von 20 Hertz bis 20‘000 Hertz. 85 Dezibel wird als Grenze gewählt, ab der ein Gehörschutz am Arbeitsplatz getragen werden muss, weil die Schadensgrenze bei etwa 90 Dezibel liegt. Die Schadensgrenze ist jedoch stark frequenzabhängig. Es gilt der folgende Grundsatz: Je höher die Frequenz eines Tones, desto kleiner seine Wellenlänge und desto höher der Ton. Bei sehr tiefen Tönen ist die Schadensgrenze höher als bei hohen Tönen und liegt bei etwa 110 Dezibel. Das heisst, dass hohe Töne vergleichsweise weniger laut sein müssen, um bereits Schaden anzurichten, als tiefe Töne.
Es gibt einen Unterschied zwischen der Schmerzgrenze und der Schadensgrenze. Die Schadensgrenze liegt deutlich unter der Schmerzgrenze. Dies führt dazu, dass unser Gehör schon lange einen Schaden davonträgt, wenn man anfängt, lärmbedingte Schmerzen zu empfinden. Hier schlägt der Schutzmechanismus des Schmerzes also gewissermassen fehl. Angenommen in einem zu lauten Nachtclub läuft die Musik beispielsweise bei 110 Dezibel, dann liegt die Dezibelzahl über der Schadens-, aber unter der Schmerzgrenze. Das heisst, dass die Musik zwar schädlich ist, jedoch von den Anwesenden kein Schmerz verspürt wird.
Wie wird das Gehör bei zu hohen Schalldruckpegeln beschädigt?
Die Hörschnecke (fachsprachlich Cochlea) überträgt die ankommenden Schallwellen mittels Haarzellen auf feine Nerven, welche das empfangene Signal zum Gehirn weiterleiten, wo es als Ton wahrgenommen wird. Die Haarzellen lassen sich in äussere und innere Haarzellen unterteilen. Bei zu hohem Schalldruck werden insbesondere die äusseren Haarzellen beschädigt. Das kann man sich wie ein mechanisches Zerbrechen der Haare auf diesen Zellen vorstellen – natürlich auf Mikroebene. Die äusseren Haarzellen sind dazu da, das Signal zu verstärken, wohingegen die inneren das Signal verarbeiten. Der Schaden geschieht also vor allem im Bereich der Signalverstärkung. Gesundheitliche Folgen von Lärmbelastung sind zum Beispiel Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Angstzustände, ein erhöhtes Herzinfarktrisiko oder Tinnitus. Für die Arbeitsmedizin ist es entsprechend wichtig, dass ein adäquater Gehörschutz am Arbeitsplatz getragen wird. Ohropax sind kein adäquater Gehörschutz am Arbeitsplatz.
Der arbeitsbedingte Schutz des Gehörs wurde lange Zeit vernachlässigt. Noch heute gibt es viele arbeitsbezogene Erkrankungen des Gehörs; genaue Zahlen sind leider nicht bekannt. Allerdings gibt es auch gute Neuigkeiten: Während im Jahr 1970 noch 35% der Arbeitnehmenden in lärmexponierten Branchen einen deutlichen Schaden des Gehörs bei der Arbeit erlitten, sind es heute nur noch 8% (Jost & Pletscher, 2013). Ausserdem sind die Schäden heute seltener auf den nicht vorhandenen Schutz und häufiger auf das Verhalten der Arbeitnehmenden zurückzuführen. Mit Verhalten ist hier gemeint, dass der Gehörschutz am Arbeitsplatz falsch eingesetzt oder getragen wird.
Ein weitverbreiteter Mythos besagt zudem, dass das Gehör erst bei längerfristigen zu lauten Geräuschen einen Schaden erleidet. Das ist jedoch falsch, denn kurze intensive Geräuscherlebnisse sind sogar eine häufige Ursache für arbeitsbezogene Erkrankungen des Gehörs. Als Beispiel für ein kurzes intensives Geräusch, das Erkrankungen hervorrufen kann, dient das Knalltrauma. Bei einem Knalltrauma liegt der Schalldruckpegel im Millisekundenbereich über 160 Dezibel.
Zum Abschluss soll betont werden, dass Sie als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer jederzeit das Recht auf einen angemessenen Gehörschutz am Arbeitsplatz haben. Wenn Sie den Verdacht hegen, dass ein Missstand bezüglich des Gehörschutzes vorliegt, so sollten Sie dies Ihrer Vorgesetzten oder Ihrem Vorgesetzten unverzüglich melden. Mögliche Massnahmen zum Schutz des Gehörs bei der Arbeit sind Dezibelmessungen sowie das Tragen eines Gehörschutzes. Auch wenn viele greifende Massnahmen existieren, gibt es auch heute noch eine leider weitverbreitete Kultur der Vernachlässigung bezüglich Gehörschutz am Arbeitsplatz. Dieser kann jedoch jede und jeder Einzelne (ob Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer oder Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber) durch das eigene Verhalten entgegenwirken.
Quelle
Dr. med Jost Marcel und Dr. med. Pletscher Claudia (2013). https://www.ressourcenplus.ch/wp-content/factsheet-berufskrankheiten_suva.pdf Zuletzt am 31.08.2022 um 18:30
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Dieser Artikel befasst sich mit dem Einfluss von Salzwasser auf den Menschen. Dabei stehen die Augen und die Haut im Vordergrund. Sowohl salz- als auch chlorhaltiges Wasser, wie es in den meisten Pools vorkommt, haben einen kurzfristig negativen Einfluss auf die Augen. Es ist jedoch wichtig vorwegzunehmen, dass es sich bei beiden Wassersorten nur um kurzfristige Reizungen handelt. Salz- oder Chlorwasser schädigen das Auge also nicht nachhaltig oder beeinträchtigen gar die Sehfunktion. Was geschieht, ist das Aufkommen eines unangenehmen Brennens, welches auf den in beiden Wassersorten erhöhten Salzgehalt zurückzuführen ist. Als physiologischer Vergleich dient hierbei die Zusammensetzung von Tränen. Diese sind im Gegensatz zu Schweiss etwa vier Mal weniger salzig. Schweiss mit 4g Salz pro Liter brennt in den Augen, und das ist auch der Grund, weshalb wir Augenbrauen besitzen: Sie schützen die Augen vor herabtropfendem Schweiss von der Stirn. Die Tränenflüssigkeit hat etwa 0.9g Salz (NaCl) pro Liter. Im Blut ist die Salzkonzentration gleich hoch, daher wird die Tränenflüssigkeit im Auge nicht als unangenehm empfunden.
Der Mechanismus des Brennens ist beim Schweiss und beim Salzwasser derselbe. Der hohe Salzgehalt reizt die Bindehaut, welche durch den erhöhten Salzgehalt leicht anquillen und sich röten kann. Abschliessend lässt sich also festhalten, dass Salzwasser keine langfristig schädigende Wirkung hat. Das zeigt sich auch dadurch, dass sich das Tauchen mit offenen Augen im Salzwasser trainieren lässt. Ein einfacher Selbstversuch kann das bei Interesse nachweisen: Wenn Sie an fünf Tagen jeden Tag eine halbe Minute mit offenen Augen im Salzwasser tauchen, wird das Brennen von Tag zu Tag abnehmen. Das ist darauf zurückzuführen, dass sich die Schleimhaut adaptieren kann und den hohen Salzgehalt nicht als bedrohlich einstuft.
Aus zwei Gründen ist eine Schwimmbrille dennoch empfehlenswert. Erstens vermeiden Sie damit das zwar ungefährliche, aber dennoch unangenehme Brennen in den Augen. Zweitens – und das ist der medizinisch relevante Grund – können so keine Bakterien in die Augen gelangen. Denn die obigen Ausführungen, dass das Schwimmen im Salzwasser zwar unangenehm ist für die Augen, jedoch nicht gesundheitsschädigend, gilt nur für sauberes Salzwasser. Bakterien aus dem Salzwasser können durchaus die Schleimhaut besetzen und Infektionen hervorrufen, die medizinisch behandelt werden müssen.
Schauen wir uns nun die Einflüsse des Salzwassers auf die Haut an. Salzwasser hat für unsere Haut mehrere positive Einflüsse; sie ist fast schon ein Wundermittel. Das Salz wirkt leicht entzündungshemmend, was beispielsweise Rötungen von Pickeln minimiert. Zudem löst es abgestorbene Hautschuppen und fördert damit die Regeneration. Aber Salzwasser tötet auch Bakterien ab, womit es die Wundheilung fördert. Der einzige negative Effekt des Salzwassers ist der Wasserentzug. Daher ist es wichtig, dass das Salzwasser nach dem Schwimmen abgeduscht wird und das Salz nicht zu lange auf der Haut bleibt.
Die Einflüsse von Chlorwasser (und auch Süsswasser) auf die Haut und auf die Augen sind marginal. Es gibt jedoch einen spannenden Effekt, der bei langem Wasserkontakt auftritt; gemeint sind die schrumpeligen Hände – beispielsweise nach einem langen Bad. Diese Reaktion beruht auf zwei Komponenten. Einerseits verengen sich die kleinen Blutgefässe der Haut bei langem Wasserkontakt. Dieses Zusammenziehen der Blutgefässe führt dann auch zu einem Zusammenziehen der Haut. Andererseits nimmt die äusserste Hautschicht Wasser auf und quillt dadurch an. Die schrumpelige Haut ist jedoch gesundheitlich komplett unbedenklich.
Der Wasserkontakt ist für die Augen sicherlich nicht nachhaltig ungesund, egal ob Salz-, Chlor- oder Süsswasser. Auch bei der Haut hat die Expositionsdauer eine stark untergeordnete Bedeutung. Wichtig ist jedoch, dass nach dem Baden im Salzwasser das Salz nicht zu lange auf der Haut bleibt, da dies das Austrocknen der Haut fördert.
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Bei der Fehlsichtigkeit gibt es zwei Hauptformen. Die Kurzssichtigkeit (Myopie) und die Weitsichtigkeit (Hyperopie). Dabei ist die Kurzsichtigkeit deutlich häufiger, was vor allem mit unserer Lebensform zu tun hat. Beide Fehlsichtigkeiten haben mit der Bulbuslänge (= Augapfellänge) zu tun. Diese stellt sich während der Entwicklung auf das Hauptsehen ein. Die heutige Gesellschaft ist stark auf Kurzsichtigkeit ausgerichtet (Schreiben, Computer etc.) und daher ist es nicht verwunderlich, dass die Myopie häufiger vorkommt. In der Schweiz sind mehr als die Hälfte aller Jugendlichen myop!
Oftmals sind die physiologischen Zusammenhänge bei der Myopie und Hyperopie etwas verwirrend, da sie genau gegenteilig sind. Bei der Myopie ist der Bulbus zu lang und die Sicht in die Weite bereitet Probleme. Die Strahlenbündel treffen sich, weil der Bulbus zu lang ist, schon vor der Netzhaut in einem Punkt, daher wird eine Streulinse benötigt, um den Strahlengang zu erweitern. Eine Streulinse hat negative Dioptrien. Sie erniedrigt die Brechkraft, sodass sich dieser Punkt, der sogenannte hintere Brennpunkt, auf die Retina verschiebt.Bei der Hyperopie hingegen ist alles genau umgekehrt. Der Bulbus ist also zu kurz und der Brennpunkt ist ohne Brille hinter der Retina, also zu weit hinten. Es wird eine Sammellinse benötigt, welche die Brechkraft erhöht. Diese Linse hat positive Dioptrien.
Häufig bleibt die Hyperopie länger unentdeckt als die Myopie. Der Grund liegt darin, dass die Linse akkomodationsfähig ist. Die Brechkraft wird erhöht bei der Nahakkomodation (= Nahanpassung). Eine hyperope Person kann also ihre Hyperopie durch Nahakkomodation gewissermassen kompensieren. Das äussert sich auf Dauer jedoch oft durch Kopfschmerzen und Schwindel, da es sehr anstrengend ist, ständig auf Nahakkomodation umzustellen, vor allem wenn man eigentlich gar nicht in die Nähe sieht. Mit steigendem Alter zeigt sich ein weiteres Phänomen. Die sogenannte Presbyopie beschreibt eine verschlechterte, altersbedingte Akkomodationsfähigkeit. Sie tritt dadurch auf, dass mit steigendem Alter, das bedeutet in diesem Fall schon ab 40 Jahren und nicht erst im Seniorenalter, die Linse weniger elastisch wird.
Die Linse besteht grob aus einer Rinde und einem Kern. Beide Anteile bestehen aus Linsenfasern, wobei sich die neuen Linsenfasern immer aussen anlagern. Die ältesten Linsernfasern sind also im Kern zu finden. Der Kern ist wasserärmer und daher weniger elastisch. Ab 40 Jahren beginnt sich das Gleichgewicht zwischen Rinde und Kern in Richtung Kern zu verschieben. Ein Teil der Rinde degradiert also zunehmends und somit gehen mit der Zeit die neuen nachkommenden Linsenfasern, welche sich aussen anlagern, immer mehr verloren. Das hat zur Folge, dass die Linse zunehmends unelastisch wird. Eine unelastische Linse hat eine deutlich schlechtere Akkomodationsfähigkeit.
Die Presbyopie wird auch altersbedingte Weitsichtigkeit genannt. Denn durch die verlorene Akkomodationsfähigkeit bereitet insbesondere die Nahakkomodation Mühe. Das bedeutet, dass der Nahpunkt (das ist der den Augen nächste Punkt, an dem man scharf sieht) weiter in die Ferne rückt. Der Nahpunkt lässt sich einfach untersuchen, wenn man einen Text vor sich hat und immer näher an die Augen bewegt. Der Punkt an dem der Text verschwommen zu erscheinen beginnt ist der Nahpunkt. Bei jungen Erwachsenen kann dieser Nahpunkt weniger als zehn Zentimeter betragen. Mit 40 Jahren liegt der Nahpunkt ungefähr bei 25 Zentimetern. Das klingt absolut betrachtet nicht nach einem starken Unterschied, das ist jedoch die dreifache Distanz gegenüber einem jungen Erwachsenen!
Wie eingangs erwähnt, sind deutlich mehr Personen von der Myopie (Kurzsichtigkeit) als von der Hyperopie (Weitsichtigkeit) betroffen. Die Myopie war in Kombination mit einer Presbyopie lange ein echtes Problem, da davon betroffene Patient*innen kurz- und weitsichtig sind und dadurch sowohl in die Nähe als auch in die Ferne schlecht sehen. Das stellte die Ärzteschaft lange Zeit vor grosse Schwierigkeiten. Die zu beantwortende Frage war: Wie schafft man es, die Myopie und die altersbedingte Presbyopie gleichzeitig zu korrigieren? Es braucht also eine Brille, die gleichzeitig Kurzsichtigkeit und Weitsichtigkeit korrigieren kann. Die Erfindung der sogenannten Gleitsichtbrille löste dieses Problem. Für die Myopie wird eine negative Dioptrie benötigt, weil der Bulbus zu lang ist. Für die Presbyopie wir eine positive Dioptrie benötigt, um in die Nähe sehen zu können (die erhöhte Brechkraft ging ja verloren und der Nahpunkt hat sich vom Auge weg verschoben). Gleitsichtbrillen sind für viele sehr gewöhnungsbedürftig, da es verschiedene Zonen für die verschiedenen Fehlsichtigkeiten gibt. Zum Lesen muss beispielsweise durch den unteren Bereich der Gleitsichtbrille geschaut werden. Dagegen korrigiert die Gleitsichtbrille in der Regel im oberen Bereich die Myopie.
Quellen
Bild 1: Lichtbrechung und Fehlsichtigkeit. https://www.msdmanuals.com/de/heim/multimedia/figure/was-ist-lichtbrechung
Bild 2: Gleitsichtbrille. https://www.brillen-sehhilfen.de/gleitsichtbrillen/
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Der Vestibularapparat, Fachbegriff für das Gleichgewichtsorgan, ist im Innenohr lokalisiert. Die Annahme, dass dieser alleine für unser Gleichgewicht zuständig ist, ist jedoch falsch. Um eine gute Gleichgewichtslage zu finden und in allen Alltagssituationen zu erhalten, ist die Integration von drei Komponenten essentiell. Der Vestibularapparat bildet die Hauptkomponente, aber auch die Augen und die Propriozeption sind wichtig für das Gleichgewicht. Die visuelle Verarbeitung liegt auf der Hand, da sie uns Informationen über die Umgebung liefert. Die Propriozeption beschreibt die Wahrnehmung des eigenen Körpers und dessen Lage im Raum. Vor allem die Stellung vom Kopf zum Rumpf und die Stellung vom Rumpf im Raum sowie die Position der Gliedmassen sind entscheidende Beiträge der Propriozeption für das Gleichgewicht. Als einfaches Beispiel für propriozeptive Verarbeitung dient das Verschränken der Hände hinter dem Rücken. Sie können das nicht sehen, wissen jedoch zu jeder Zeit, wo die Hand wie positioniert ist, und könnten dies beispielsweise beschreiben oder zeichnen.
Die Gravitation (= Schwerkraft) ist die evolutionstechnisch konstanteste Bezugsgrösse für einen Körper, daher orientiert sich auch der Vestibularapparat danach. Der Vestibularapparat besteht aus drei Bogengängen, welche alle orthogonal (senkrecht) zueinander sind. Diese erfassen Winkelbeschleunigungen. Hinzu kommen zwei Statolithenorgane, die sogenannten Maculae, welche Linearbeschleunigungen erfassen. Die beiden Maculae heissen Utriculus und Sacculus. Der Utriculus ist für horizontale (z.B. Liegen) und der Sacculus für vertikale Beschleunigungswahrnehmungen zuständig.
Das Bild veranschaulicht die genannten Strukturen und zeigt die enge strukturelle Beziehung zur Hörschnecke (Cochlea). Die Hörschnecke und der Vestibularapparat funktionieren im Inneren zwar nach ähnlichen Prinzipien, haben funktionell jedoch nichts miteinander zu tun!
Diese komplizierten Macula-Organe funktionieren über ein faszinierendes, hier etwas vereinfacht dargestelltes Prinzip. Im Inneren der Macula-Organe ist eine Flüssigkeit, die Endolymphe, lokalisiert. Das Organ ist ausgekleidet von einer Schicht von Stütz- und Sinneszellen. Die Sinneszellen sind Haarzellen, sie haben also haarähnliche Fortsätze, die zur Endolymphe hin ausgerichtet sind. Auf dieser Zellschicht ist eine sogenannte Statolithenmembran lokalisiert. Diese Membran besteht aus Zuckern und Calciumkarbonatkristallen. Wichtig für das Verständnis ist, dass diese Bestandteile eine sehr hohe Dichte verursachen. Die Dichte der Statolithenmembran ist mit 3g/cm3 etwa drei-mal höher als die Dichte von Wasser (und somit auch von der Endolymphe). Dieses Bild zeigt einen Querschnitt der Macula-Organe. Die Gallerte (braun) und die Otolithen bilden zusammen die Statolithenmembran.
Wenn nun eine Linearbeschleunigung erfolgt, verschiebt sich die Statolithenmembran aufgrund ihres im Vergleich zur Endolymphe höheren spezifischen Gewichts gegenüber den Haarzellen. Das verursacht eine Abscherung der Sinneshaare. Dieses mechanische Signal wird in den Haarzellen, welche Sinneszellen sind, in ein elektrisches Signal umgewandelt. Dieses wiederum kann über einen Nerv im Gehirn verarbeitet werden. Vereinfacht gesagt übermittelt also das Bewegen einer Flüssigkeit durch Beschleunigung eine Information zum Gleichgewicht. Dabei gibt es bei den Haaren noch ein wichtiges Detail: Jede Haarzelle hat ein randständiges längeres Haar. Wenn die Haare durch die Statolithenmembran in Richtung dieses längsten Haares gebogen werden, ist das die Stimulationsrichtung und es gibt eine höhere Feurrate von Aktionspotentialen. Das bedeutet, dass pro Zeiteinheit mehr Aktionspotentiale ausgelöst werden. Dadurch wird der Veränderung der Gleichgewichtsposition im Gehirn verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet. Das Abscheren in Gegenrichtung von diesem längsten Haar hingegen bewirkt eine Inhibition.
Die Gleichgewichtswahrnehmungen der Bogengänge funktionieren im Prinzip gleich. Auch dort gibt es Sinneszellen mit Haaren. Das erste Bild zeigt, dass jeder Bogengang am Ende zu einer Ampulle erweitert ist. Die Sinneszellen der Bogengänge sind nur dort lokalisiert. Auch hier gibt es ein Analogon zur Statolithenmembran, die bei den Ampullen Cupula genannt wird. Die Cupula umgibt also die Sinneshaare und ist verantwortlich für deren Biegung und somit für die Umwandlung eines mechanischen in ein elektrisches Signal. Es gibt jedoch einen ganz entscheidenden Unterschied zwischen Cupula und Statolithenmembran: Bei den Ampullen möchten Drehbeschleunigungen erfasst werden, daher soll die Schwerkraft keine Wirkung haben. Aus diesem Grund hat die Cupula im Gegensatz zur Statolithenmembran das gleiche spezifische Gewicht (Dichte) wie die Endolymphe.
Es gibt Erkrankungen des Vestibularapparats, diese sind jedoch sehr selten. Was in der Bevölkerung deutlich häufiger vorkommt und einen Einfluss auf den Vestibularapparat hat, ist übermässiger Alkoholkonsum. Der Grund, weshalb man nach übermässigem Alkoholkonsum Gleichgewichtsstörungen hat und beispielsweise nicht mehr geradeaus laufen kann, liegt darin, dass Alkohol eine sehr tiefe Dichte hat (0.8g/cm3). Die Region um die Cupula ist sehr gut durchblutet, daher gelangt der Alkohol schnell in diese Umgebung. Dadurch reduziert sich die Dichte der Cupula gegenüber der Endolymphe und die Bogengänge reagieren nun auf die Schwerkraft, was sie unter normalen Bedingungen nicht machen, da Cupula und Endolymphe ja eigentlich dieselbe Dichte haben sollten. Wenn Cupula und Endolymphe die gleiche Dichte haben, wird nicht auf die Schwerkraft reagiert, die Verfälschung durch den Alkohol sorgt jedoch genau dafür.
Quellen
Bild 1 & Bild 2: Diatec. Der Vestibularapparat. https://www.diatec-diagnostics.ch/knowledge-base/category/balance (zuletzt am 22.04.2022 um 16:00)
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Unser Auge ist das wichtigste Sinnesorgan, da es ungefähr 70% aller Sinneseindrücke verarbeitet. Es muss aus Lichtstrahlen ein elektrisches Signal kreieren und daraus ein korrektes Bild erstellen. Das Auge besteht aus sehr vielen kleinen Strukturen, die funktionell integriert und voneinander abhängig sind. Grob kann man den dioptrischen Apparat von unterstützenden Strukturen unterscheiden. Der dioptrische Apparat besteht aus der Hornhaut, der Linse und dem Glaskörper. Alle Anteile des dioptrischen Apparats müssen absolut durchsichtig sein, da dort das Licht das Auge durchdringt.
Das Licht wird auf der Retina (Netzhaut) verarbeitet, welche aus zehn (!) Schichten besteht. Die Netzhaut hat nebst ihrer Vielschichtigkeit noch weitere aussergewöhnliche Eigenschaften. Es gibt zwei wichtige Punkte auf der Retina. Der erste ist der blinde Fleck; der Ort, an dem der Nervus opticus beginnt. Dort kann kein Licht verarbeitet werden. Von dort führen Nervenfasern weg, welche im Sehnerv (Nervus opticus) zusammenkommen. Der Sehnerv läuft zum Gehirn und bildet das optische Chiasma. Im optischen Chiasma kreuzt ein Teil der Fasern. Der zweite wichtige Punkt ist der Ort des schärfsten Sehens, die Fovea centralis. Das ist ein ganz kleiner Bereich auf der Retina, der in der Nähe der Sehachse liegt. Dort sind die Zapfen sehr stark konzentriert und dies ermöglicht ein farbiges Bild mit scharfer Auflösung. Daher orientieren wir unsere Augen permanent so, dass der Strahlengang des Lichts auf die Fovea centralis fällt.
Weiter oben wurde der dioptrische Apparat aufgegriffen. Das sind alle Anteile des Auges, die das Licht brechen. Daher müssen sie absolut durchsichtig sein, damit sie den Strahlengang nicht verfälschen. Der Glaskörper bildet den grössten Anteil des Auges, da er den gesamten Raum zwischen Linse und Retina ausfüllt. Weil er komplett durchsichtig sein muss, besteht er zu 99% aus Wasser. Zudem erzeugt der Glaskörper einen intraokulären Druck, also ein Druck im Auge. Dieser Druck ist nötig, um die Retina optimal aufzuspannen und an die ihr angrenzende hintere Schicht zu drücken. Damit das Licht, das durch den Glaskörper auf die Retina gelangt, optimal verarbeitet werden kann, darf es nicht gestört werden. Gefässe wären hierbei ein massiver Störfaktor und würden die Lichtstrahlen verfälschen. Daher gibt es das faszinierende Phänomen, dass die Gefässe der Retina um die Fovea angeordnet sind, sich jedoch nicht vor die Fovea und somit in den Hauptstrahlengang begeben.
Der Prozess der Verarbeitung von Lichtwellen ist die Phototransduktion. Dabei treffen Lichtstrahlen mit Lichtgeschwindigkeit auf die Netzhaut. Auf der Netzhaut gibt es Stäbchen, welche das Schwarz-Weiss-Sehen ermöglichen, und Zapfen, welche dem Farbsehen dienen. Die kleinste Einheit der Lichtstrahlen sind die sogenannten Photonen. Sie treffen auf die Zapfen und werden verarbeitet. Vereinfacht funktioniert der Prozess folgendermassen: Die Photonen werden von den Zapfen oder Stäbchen (Photorezeptoren), welche spezialisierte Neuronen sind, aufgenommen und weiterverarbeitet. Hier geschieht also der Übertritt von einem Lichtsignal in ein elektrisches Signal, da fortan Neuronen die Information weiterleiten.
Die Information der Zapfen und Stäbchen wird in der Retina auf ein zweites Neuron umgeschaltet und dann auf ein Drittes. Daher kommt die Vielschichtigkeit der Retina. Nebst den drei Neuronenschichten gibt es noch verschiedene unterstüzende Schichten. Beispielsweise ist die äusserste Schicht das Pigmentepithel. Es nimmt Photonen auf, die weder von Zapfen noch Stäbchen verarbeitet werden. Das Pigmentepithel dient als Schutz, damit die Photonen nicht in tieferen Schichten eindringen. Es heisst so, weil diese Epithelzellen viel Melanin enthalten, die die Photonen aufnehmen können und so pigmentiert, also dunkel angefärbt, sind. Die Fasern des dritten Neurons verlaufen dann im Sehnerv (Nervus opticus) zum optischen Chiasma, wo die Verarbeitung weitergeht. Wichtig für das Verständnis ist die inverse Anordnung der Neuronen in der Retina. Intuitiv könnte man annehmen, dass die Photorezeptoren bei der Retina ganz innen liegen und dem Licht so nahe wie möglich sein wollen und somit dem Glaskörper zugewandt sind. Dem ist jedoch nicht so! Das erste Neuron, also die Photorezeptoren, ist dasjenige Neuron, das vom Glaskörper maximal entfernt ist und somit der nächst-äusseren Schicht zugewandt ist. Das dritte Neuron hingegen ist dem Glaskörper am nächsten. Die ersten beiden Neuronen vermitteln ihre Information über chemische Synapsen und nicht direkt elektrisch. Erst das dritte Neuron, das mit seinen Axonen den Optischen Nerv bildet, generiert Aktionspotentiale.
Quelle
Bild: LEIFI. Das menschliche Auge. https://www.leifiphysik.de/optik/optische-linsen/ausblick/das-menschliche-auge-aufbau-und-funktion-einzelner-teile (zuletzt am 20.04.2022 um 09:00)
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