Über die Hälfte aller Schweizer denken, dass Mobilfunkstrahlung mit Gesundheitsrisiken verbunden ist. Im europäischen Schnitt denken sogar 70% der Befragten, dass Mobilfunkantennen gesundheitliche Schaden verursachen. 5% aller Schweizer führen zudem gesundheitliche Beschwerden – von Kopfschmerzen bis hin zu Herz-Kreislauferkrankungen –auf nichtionisierende Strahlung in ihrem Umfeld zurück (UFAM, o. J.-b). In der Öffentlichkeit hat sich der Begriff „Elektrosmog“ durchgesetzt. Nichtionisierende Strahlung zeigt sich in unserer Umwelt und am Arbeitsplatz in Form von elektromagnetischen Feldern. Diese kommen in Stromleitungen, Haushalts- und Bürogeräten sowie Mobiltelefonen vor. In den letzten Jahrzehnten wurden viele Untersuchungen und Studien zum Thema nichtionisierende Strahlung beziehungsweise Elektrosmog durchgeführt.
Mit Strahlung bezeichnet man eine Form von Energieausbreitung von Teilchen oder Wellen. Unterscheiden kann man ionisierende und nichtionisierende Strahlung. Erstere ist eine sehr energiereiche Strahlung, die Elektronen aus Atomen und Molekülen entfernen kann. Dazu zählen zum Beispiel Röntgen- und Gammastrahlung, die in der medizinischen Diagnostik und Therapie zur Anwendung kommen. Durch die Ionisierung von Molekülen und Atomen im menschlichen Körper können freie Radikale gebildet werden. Diese Radikale gelten aufgrund von nachfolgenden chemischen Reaktionen als krebserregend.
Die nichtionisierende Strahlung ist weniger energiereich und kann keine Moleküle zerstören. Sie findet sich in elektromagnetischer Strahlung wie z.B. in sichtbarem Licht, Mikrowellen und Radiowellen. Überall, wo Elektrizität transportiert und genutzt wird, bestehen elektrische und magnetische Felder. Elektromagnetische Strahlung ist dementsprechend vor allem auch in Stromleitungen vorhanden. Zum Hochfrequenzbereich zählen Mobilfunkantennen, Rundfunk, WLAN und Schnurlosetelefone, während Stromleitungen, Fahrleitungen von Eisenbahnen und Haushaltsgeräte zum Niederfrequenzbereich zählen.
2022 kam in der Schweiz erstmals ein Bericht zum Monitoring der nichtionisierenden Strahlung heraus. Dieser zeigte, dass die Bevölkerung insgesamt moderat mit Strahlung belastet ist und dass die Feldstärken, in denen sich Menschen aufhalten, deutlich unterhalb des Immissonsgrenzwertes liegen. Höchstwerte fanden sich an Tramhaltestellen, Industriegebieten und in Zentren von Grossstädten (UFAM, o. J.-a).
In der Schweiz gilt, dass die Gesundheit und das Wohlbefinden von Arbeitnehmenden nicht aufgrund von nichtionisierender Strahlung beeinträchtigt werden darf. Dies stützt sich auf das Bundesgesetzes über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz, USG) und die Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV) (SR 814.710). Zum Schutz der Bevölkerung gelten daher Immissionsgrenzwerte, welche vor wissenschaftlich bewiesenen Gefahren schützen. Bei beruflicher Exposition durch betriebsinterne Quellen, zum Beispiel durch Induktionsherde, Stromverteilung und Galvanisierung, gilt die Verordnung über die Unfallverhütung (VUV) (SR 832.30).
Personen mit aktiven medizinischen Geräten, wie Herzschrittmacher und Defibrillatoren und schwangere Personen gelten als besonders gefährdet. Hier sollte möglichst eine Abklärung am Arbeitsplatz durchgeführt werden. Besonders exponierte Berufsgruppen sind zum Beispiel Köchinnen und Köche mit Induktionskochgeräten, sowie medizinisch-radiologisches Personal, das mit MRI-Geräten arbeitet. Zuständig für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung am Arbeitsplatz ist das SECO und die SUVA (SECO, o. J.).
Die Wirkung nichtionisierender Strahlung auf den Menschen hängt von der Frequenz und Intensität der Strahlung ab. Intensive hochfrequente Strahlung kann zu einer Erwärmung von Körpergewebe führen, intensive Strahlung niedriger Frequenz zu unwillkürlichen Muskelkontraktionen und Nervenimpulsen.
Weltweit gibt es jedoch viele Personen, die überzeugt sind, bereits bei sehr schwacher Strahlung an körperlichen Symptomen wie Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Gliederschmerzen, Konzentrationsstörungen bis hin zu Herz-Kreislauf-Störungen zu leiden. So entstand der Begriff „elektromagnetische Hypersensibilität“. Aus diesem Grund wurde zu diesem Thema in den letzten zwei Jahrzenten intensiv geforscht. Der jetzige Wissensstand kann keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Elektrosmog und den von elektrosensiblen Menschen beschriebenen Symptomen nachweisen (Rubin, Das Munshi & Wessely, 2005; Nöthiger et al., 2011). Allerdings werden weitere Studien zu diesem Phänomen begrüsst. Unumstritten ist, dass die Beschwerden und Symptome der Betroffenen echt sind, sodass sich die Medizin und die Wissenschaft mit dieser Patientengruppe auseinandersetzen und gemeinsam an Lösungsansätzen arbeiten sollten.
Quellen
Nöthiger, K., Ammon, E., & Schürmann, R. (2011). Elektromagnetische Hypersensibilität.
Rubin G.J., Das Munshi J., Wessely S. (2005). Electromagnetic hypersensitivity: A systematic review of provocation studies. Psychosom Med, 67(2), 224–232. https://doi.org/10.1097/01.psy.0000155664.13300.64.
SECO, S. für W. (o. J.). Nichtionisierende Strahlung (NIS). Abgerufen 4. Oktober 2023, von https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/Arbeit/Arbeitsbedingungen/gesundheitsschutz-am-arbeitsplatz/Arbeitsraeume-und-Umgebungsfaktoren/Nichtionisierende-Strahlung.html
UFAM, B. für U. B. | O. fédéral de l’environnement O. | U. federale dell’ambiente. (o. J.-a). Elektrosmog: Das Wichtigste in Kürze. Abgerufen 4. Oktober 2023, von https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/thema-elektrosmog/elektrosmog–das-wichtigste-in-kuerze.html
UFAM, B. für U. B. | O. fédéral de l’environnement O. | U. federale dell’ambiente. (o. J.-b). Indikator Elektrosmog. Abgerufen 4. Oktober 2023, von https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/thema-elektrosmog/elektrosmog–daten–indikatoren-und-karten/elektrosmog–indikatoren/indikator-elektrosmog.html
Assistenzärztin (MED4LIFE)
Menschen sind in ihrer Umwelt täglich radioaktiver Strahlenbelastung ausgesetzt, sei es aus dem Weltraum, radioaktiven Stoffen aus der Luft und aus dem Boden oder durch medizinische Eingriffe. In der Schweiz herrscht eine gesamte natürliche Strahlenexposition von circa 2,7 Millisievert (mSv) im Jahr (Strahlenschutz in der Radiologie, o. J.). Diese Zahl ist in anderen Ländern deutlich höher. Natürliche Strahlenbelastung kommt vor allem aus unserer Umwelt, beispielsweise von der Sonne, von der Erde in Form von Uran und von Radon aus der Luft, aber auch zunehmend aus medizinischen Untersuchungen. Mit Letzteren sind insbesondere Röntgen und CT-Untersuchungen gemeint, die in den vergangenen Jahren deutlich an Anwendung zugenommen haben.
Strahlen werden in verschiedene Wellenlängen (Frequenzbereiche) unterteilt. Je höher die Frequenz, desto energiereicher und somit schädlicher ist die Art von Strahlung für den Menschen. Im Gegensatz zur nichtionisierenden Strahlung reicht bei der ionisierenden Strahlung die Energie der Strahlung aus, um Atome oder Moleküle in einen elektrisch geladenen Zustand zu versetzen, das heißt zu ionisieren. Es gilt im Allgemeinen, ionisierende Strahlung möglichst zu vermeiden. Ionisierende Strahlung wird zum Beispiel durch die ultraviolette Strahlung (UV-Strahlung) der Sonne emittiert, aber auch durch den Zerfall von radioaktiven Stoffen wie Radon und Uran. Hingegen emittieren Mobiltelefone oder Mikrowellen nur Strahlen im niedrigen Frequenzbereich.
In der Medizin kommt Strahlenexposition hauptsächlich im diagnostischen Bereich vor, zum Beispiel bei Röntgen-, CT-, und Kontrastmitteluntersuchungen. Ein Röntgenbild einer Hand oder eines Kniegelenks beinhaltet vergleichsweise die geringste Strahlendosis – vergleichbar mit 1,5 Tagen natürlicher Strahlenexposition aus der Umwelt. Ein Röntgen des Brustkorbes beinhaltet hingegen 3 Tage natürliche Strahlenexposition. Ein CT des Bauch- und Beckenraumes beinhaltet eine Strahlendosis vergleichbar mit 4,5 Jahren natürlicher Strahlenexposition. MRT und Ultraschalluntersuchungen gelten als strahlenfrei und werden somit, wenn möglich, angewendet. Wenn doch ein Röntgen oder eine CT-Untersuchung indiziert ist, werden die Vor- und Nachteile dieser Untersuchung zuerst sorgfältig erwogen. Es gilt der Grundsatz: so viel Strahlung wie nötig, aber so wenig wie möglich.
Ionisierende Strahlung vermag durch ihre hohe Energie chemische Verbindungen aufzubrechen oder Atome und Moleküle zu ionisieren, was letztlich zu Zellschäden führen kann. Die DNA, also des Erbguts des Menschen, kann durch ionisierende Strahlung angegriffen werden. Eine geschädigte DNA ist nicht immer in der Lage, sich selber zu reparieren; es besteht die Gefahr, dass sie zur Entstehung von Krebs beiträgt oder diesen sogar auslöst (BAG, o. J.-c). Die Exposition durch ionisierende Strahlen erhöht somit das langfristige Krebsrisiko. Allerdings wird der Effekt von niedrigen Dosen von Strahlen, wie im Bereich der medizinischen Diagnostik und in Gebieten mit einer höheren natürlichen Strahlenexposition, kontrovers diskutiert (Strahlenschutz in der Radiologie, o. J.).
Die durchschnittliche Strahlenbelastung einer in der Schweiz lebenden Person beläuft sich auf circa 6 mSv im Jahr. Hiervon ist der Hauptteil durch Radon in Wohnräumen (ca. 3,3 mSv) und durch medizinische Bildgebung (ca. 1,5 mSv) bedingt. Der restliche Anteil kommt durch kosmische Strahlung, terrestrische Strahlung, natürliche Radioaktivität aus der Nahrung, Flugreisen, Zigaretten und der Industrie bzw. Forschung (BAG, o. J.-b) zustande.
Der Wert der durchschnittlichen Strahlenbelastung variiert jedoch von Mensch zu Mensch. Jemand, der an einem Ort mit hoher Radonkonzentration wohnt oder sich aufgrund einer Erkrankung einer CT-Untersuchung unterziehen musste, ist einer höheren Gesamtmenge an Strahlung ausgesetzt. Auch gibt es bestimmte Berufsgruppen, die deutlich stärker exponiert sind als die allgemeine Bevölkerung. Dazu gehören Berufe in der Medizin, Kerntechnik, Industrie und Gewerbe sowie im Bereich der Forschung und Entwicklung. Diese Berufsgruppen sind vermehrt künstlichen Strahlenquellen ausgesetzt. Arbeitsplätze mit hoher natürlicher Strahlung, wie z.B. terrestrische Strahlung, radioaktive Stoffe oder kosmische Strahlung, finden sich wiederum in Wasserwerken, im Bergbau und in Flugzeugen.
In der Schweiz gelten im Bezug auf Strahlenschutz die Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP). Diese berufen sich auf 3 Grundprinzipien des Strahlenschutzes:
Prinzip der Rechtfertigung: Eine Tätigkeit, bei der Menschen oder die Umwelt schädlichen Strahlen ausgesetzt sind, darf nur ausgeübt werden, wenn sie sich nach Abwägen der damit verbundenen Vorteile und Gefahren rechtfertigen lässt.
Prinzip der Optimierung: Die Strahlenexposition der Bevölkerung soll so niedrig wie möglich gehalten werden. Hier kommt das ALARA-Prinzip („As Low As Reasonably Achievable“) zur Geltung. Beispielsweise bedeutet das in der Medizin, dass Untersuchungen mit Strahlenbelastung nicht in verschiedenen Spitälern wiederholt werden sollten und dass solche Untersuchungen zwingend einen diagnostischen oder therapeutischen Mehrwert haben müssen.
Dosisbegrenzung: Strahlendosen dürfen festgelegte Grenzwerte nicht überschreiten. Die Grenzwerte sind für die allgemeine Bevölkerung und für beruflich strahlenexponierte Personen unterschiedlich. In der Schweiz gilt für die allgemeine Bevölkerung ein Höchstwert von 1 mSv pro Jahr, für beruflich strahlenexponierte Personen 20 mSv pro Jahr. Bei medizinischen Untersuchungen und Eingriffen gelten allerdings individuelle Dosisgrenzen, da in der Regel der Nutzen der Strahlenexposition die Risiken überwiegt (BAG, o. J.-a).
Bild
https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/gesund-leben/umwelt-und-gesundheit/strahlung-radioaktivitaet-schall/strahlung-gesundheit.html
Quellen
BAG, B. für G. (o. J.-a). Grundprinzipien im Strahlenschutz. Abgerufen 30. August 2023, von https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/gesund-leben/umwelt-und-gesundheit/strahlung-radioaktivitaet-schall/strahlung-gesundheit/grundprinzipien-im-strahlenschutz.html
BAG, B. für G. (o. J.-b). Strahlenexposition der Schweizer Bevölkerung. Abgerufen 30. August 2023, von https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/gesund-leben/umwelt-und-gesundheit/strahlung-radioaktivitaet-schall/strahlung-gesundheit/strahlenexposition-der-schweizer-bevoelkerung.html
BAG, B. für G. (o. J.-c). Strahlung, Radioaktivität & Schall. Abgerufen 30. August 2023, von https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/gesund-leben/umwelt-und-gesundheit/strahlung-radioaktivitaet-schall.html
Strahlenschutz in der Radiologie. (o. J.). Kantonsspital St.Gallen. Abgerufen 30. August 2023, von https://www.kssg.ch/netzwerk-radiologie/leistungsangebot/strahlenschutz-der-radiologie
Assistenzärztin (MED4LIFE)
Durch die weltweit alternde Bevölkerung steigt auch die Zahl an Demenzerkrankungen. Laut WHO wird sich die Zahl der Betroffenen bis 2050 praktisch verdreifachen – von 50 Millionen auf 150 Millionen Menschen weltweit (Patterson, World Alzheimer Report 2018.) Demenz ist in der Schweiz und in vielen anderen europäischen Ländern der häufigste Grund für eine Einweisung in ein Pflegeheim. Dennoch tritt die Erkrankung heute in vielen Ländern später ein als in der Vergangenheit. Dies ist Fortschritten in Bereichen wie der Gesundheitsversorgung, Ernährung, Bildung und Lebensstilmodifikationen zu verdanken. Ist es möglich, Demenz vorzubeugen und welche Massnahmen helfen tatsächlich?
Was ist eine Demenz?
Demenz ist keine Krankheit, sondern beschreibt eine Sammlung von Symptomen, die unterschiedliche Ursachen haben können. Insgesamt gibt es über 50 Krankheitsformen. Die Alzheimer-Demenz kommt bei 75% der Betroffenen vor. Merkmale aller Demenzformen sind eine anhaltende und fortschreitende Beeinträchtigung des Kurz- und Langzeitgedächtnisses und des Denkens. Dazu kommen oft Persönlichkeitsveränderungen, Verhaltensveränderungen und neurologische Auffälligkeiten wie Gangstörungen. Häufig kommen auch psychiatrische Auffälligkeiten, wie eine Depression hinzu. Frühe Anzeichen sind meist ein gestörtes Frühzeitgedächtnis, Orientierungsstörungen, Wortfindungsstörungen und Stimmungsschwankungen. Als betroffene Person vergisst man zum Beispiel häufig, wo man seine Schlüssel hingelegt hat oder kann sich nicht mehr an einen vertrauten Weg erinnern. Zudem reagieren viele Demenzerkrankte aufgrund des Verlustes der Unabhängigkeit mit Unruhe, Reizbarkeit, Feindseligkeiten bis hin zu aggressivem Verhalten. (Demenz – MSD Manuals)
Welche Demenzformen gibt es?
Die verschiedenen Demenzformen kann man in primäre und sekundäre Demenzen einteilen. Primäre Demenzen haben ihren Ursprung im Gehirn und sind eigenständige Krankheitsbilder. Dazu gehören Alzheimer-Demenz, vaskuläre Demenz, Lewy-Body Demenz und Frontotemporale Demenz. Sekundäre Demenzen sind eher selten und treten im Rahmen einer anderen Erkrankung auf, wie einer Alkoholabhängigkeit oder Vitaminmangelerkrankung.
Verantwortlich für die Symptome sind neurodegenerative Veränderungen. Bei einer Demenz sterben sukzessive Nervenzellen ab, die Nervenverbindungen zwischen den Nervenzellen gehen verloren. Man geht davon aus, dass bei circa einem Prozent der Betroffenen einer Alzheimer-Demenz die Erkrankung auf eine genetische Mutation zurückzuführen ist (Demenz, NetDoktor). Es gibt typische Unterschiede zwischen den verschiedenen primären Demenzen. Eine Alzheimer-Demenz beginnt meist schleichend und verschlimmert sich eher langsam. Die vaskuläre Demenz hat einen plötzlichen Beginn und die Symptome nehmen schubweise zu. Die Lewy-Body Demenz ist seltener und ist von Parkinson-Symptomen wie einem verlangsamten Bewegungsablauf, Muskelstarre und Halluzinationen (Stimmenhören, optische Bilder) begleitet. Die Frontotemporale Demenz äussert sich primär in einer Wesensveränderung mit Verlust der Manieren und auffälligem Sozialverhalten. Oft äussert sich das Verhalten in Form von aggressiver und gereizter Stimmung des Betroffenen bis hin zu sexueller Enthemmung und Distanzlosigkeit gegenüber anderen. Die Gedächtnisstörungen treten meist erst später auf.
Vorbeugende Massnahmen gegen Demenz
Mit der Thematik der Vorbeugung gegen Demenz hat sich eine Studie genauer befasst (Livingston et al., 2020). Diese Studie basiert auf der Prüfung vieler anderer Studien und Meta-Analysen aus der ganzen Welt. So wurde festgestellt, dass es insgesamt 12 veränderbare Risikofaktoren für eine Demenz gibt. Diese sind einerseits soziale Faktoren, wie geringe Bildung, soziale Isolation und Luftverschmutzung; Andererseits körperliche und psychische Ursachen wie Bluthochdruck, Diabetes, Depressionen, Hörverlust, körperliche Immobilität und Kopfverletzungen. Zuletzt gelten auch die folgenden Lifestyle Faktoren als Risiko: Rauchen, übermässiger Alkoholkonsum und Übergewicht . Bis zu 40% aller Demenzerkrankungen könnten laut der Studie verhindert oder zeitlich verzögert werden, wenn diese Risikofaktoren eliminiert werden.
Somit ergeben sich die folgenden 10 Ansätze zur Prävention:
Wichtig: diese Faktoren bestimmen nicht definitiv, ob man eine Demenz entwickelt oder nicht. Sie ist in manchen Fällen genetisch veranlagt oder tritt als Folge anderer Erkrankungen auf. Trotzdem spricht die Evidenzlage eindeutig dafür, die oben genannten Faktoren zu berücksichtigen. Insbesondere primäre Demenzformen, wie die Alzheimer-Demenz, können dadurch zeitlich um Jahre verzögert oder ganz vermieden werden.
Quellen
Demenz: Formen, Symptome, Behandlung. (o. J.). NetDoktor. Abgerufen 14. September 2022, von https://www.netdoktor.ch/krankheiten/demenz/
Demenz—Neurologische Krankheiten. (o. J.). MSD Manual Profi-Ausgabe. Abgerufen 14. September 2022, von https://www.msdmanuals.com/de/profi/neurologische-krankheiten/delir-und-demenz/demenz
Livingston, G., Huntley, J., Sommerlad, A., Ames, D., Ballard, C., Banerjee, S., Brayne, C., Burns, A., Cohen-Mansfield, J., Cooper, C., Costafreda, S. G., Dias, A., Fox, N., Gitlin, L. N., Howard, R., Kales, H. C., Kivimäki, M., Larson, E. B., Ogunniyi, A., … Mukadam, N. (2020). Dementia prevention, intervention, and care: 2020 report of the Lancet Commission. The Lancet, 396(10248), 413–446. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)30367-6
Patterson, C. (o. J.). World Alzheimer Report 2018—The state of the art of dementia research: New frontiers. London: Alzheimer’s Disease International, 2018, 48.
Assistenzärztin (MED4LIFE)
Die Pubertät ist sowohl für das Kind als auch für die Eltern eine sehr prägende Zeit. Das Kind wird vom Mädchen zur Frau oder vom Jungen zum Mann. Das Erscheinungsbild verändert sich sehr stark, die Geschlechtsreife wird erlangt und es finden auch massive neurologische Veränderungen statt. In diesem Artikel möchte ich vor allem auf die neurologischen Veränderungen eingehen. Sie sind eine mögliche Erklärung für Verhaltensweisen von Kindern in der Pubertät, die Eltern teilweise nicht nachvollziehen können.
Im Artikel zur kindlichen Entwicklung des Gehirns wurde die Pubertät bereits kurz aufgegriffen. Dort lag der Fokus vor allem auf dem sogenannten Pruning. Das Pruning beschreibt eine Reduktion der Synapsen im Gehirn mit dem Ziel, die Effizienz zu steigern. Durch weniger Synapsen wird der Energieverbrauch des Gehirns reduziert. Gleichzeitig werden Synapsen, die sich im bisherigen Leben als wichtig herausgestellt haben, verstärkt ausgebildet. Es findet also eine massgebende Veränderung statt. Ein Dozent des Joint Medical Masters HSG-UZH beschreibt das Pruning folgendermassen: Es ist wie ein Systemupdate eines technischen Geräts, welches das Erwachsensein ermöglicht. Diese Synapsenveränderungen sind numerisch nicht wirklich nachvollziehbar, doch sie sind mit Sicherheit tiefgreifend und betreffen alle Hirnareale. Diese massive Veränderung im Gehirn ist auch eine biologische Erklärung für das, was Eltern manchmal als Hirngespinste von Pubertierenden auffassen.
Dies kann die elterliche Erziehung in der Pubertät erschweren, da gewisse negative Verhaltensweisen einen eindeutigen biologischen Hintergrund haben. Nebst den neurologischen Veränderungen gibt es einen zweiten biologischen Aspekt, welcher gewisse Verhaltensweisen nicht unbedingt rechtfertigt aber zumindest erklärt. Pubertierende Kinder haben die höchsten Hormonspiegel überhaupt und Hormone können sich auf unser Verhalten auswirken. Ein pubertierender junger Mann hat beispielsweise einen extrem hohen Testosteronspiegel, was eine biologische Begründung dafür ist, dass viele junge Männer während dieser Zeit sehr impulsiv sind. Als Eltern stellt sich die Frage, wie man damit optimal umgeht. Das Kind ist für seinen Hormonspiegel nicht verantwortlich, aber Eltern dürfen dennoch auch erwarten, dass dieses impulsive Verhalten beispielsweise nicht den ganzen Familienalltag beeinflusst. Diese Balance ist sehr schwierig, aber man geht davon aus, dass Aufklärungsarbeit die besten Ergebnisse liefert. Wenn dem pubertierenden Kind bewusstgemacht wird, wie entscheidend die biologischen Vorgänge in seinem Körper gerade sind, kann das Kind in der Regel besser damit umgehen. Denn oft sind die Jugendlichen selbst etwas orientierungslos in dieser Zeit und sind froh um eine „Erklärung“ für ihr eigenes Verhalten.
Die Pubertät birgt jedoch noch einen weiteren Aspekt, der die Beziehung zwischen Eltern und Kind oftmals auf die Probe stellt. Da sind einerseits die erwähnten neurologischen Veränderungen und erhöhten Hormonspiegel. Andererseits ist da auch noch ein massiver neurologisch bedingter Freiheitsdrang. Dieser Freiheitsdrang ist biologisch nur in Ansätzen fundiert geklärt. Experten gehen davon aus, dass das Pruning eine tragende Rolle spielt in der Entwicklung dieses starken Freiheitsdrangs. Es gibt auch Annahmen, welche jedoch schwer final zu belegen sind, dass der lange hierarchisch gepflegte Erziehungsstil kombiniert mit dem Pruning diesen Freiheitsdrang auslösen.
Eine Komponente, die den Freiheitsdrang vermutlich stark fördert ist das erstmalige Treffen von eigenen grossen Entscheidungen. In der obligatorischen Schulzeit sind sich Kinder gewöhnt, dass ihr Alltag für sie definiert wird. Mit dem Übertritt in die nachfolgende Ausbildung (Lehre, Maturität, 10. Schuljahr etc.) eröffnen sich dem dann mitten in der Pubertät befindlichen Kind erstmals grosse Entscheidungsmöglichkeiten. Dieses Entdecken einer gewissen Freiheit und Entscheidungsmöglichkeit, erneut kombiniert mit dem Pruning, ist verstärkt vermutlich den Freiheitsdrang. Das kann natürlich Spannungen hervorrufen, da sich Eltern nicht alles gefallen lassen wollen und auch nicht dürfen. Auch hier ist es nach Expertenmeinungen am zielführendsten, das Kind bei Entscheidungen miteinzubeziehen. Ein als besonders vielversprechender Weg ist das gemeinsame Aufstellen von Regeln (Eltern und Kind); das pubertierende Kind kann dann seinen Freiheitsdrang innerhalb dieser Regeln ausleben.
Student Humanmedizin
Medizinischer Content-Provider (MED4LIFE)
Nach Rückenschmerzen sind Kopfschmerzen die zweithäufigste Schmerzform. Dabei unterscheidet man zwischen primären und sekundären Kopfschmerzen. Primäre Kopfschmerzen gelten als eigenständige Erkrankung; dazu gehören Spannungskopfschmerzen, Migräne und Clusterkopfschmerzen. Sekundäre Kopfschmerzen sind wesentlich seltener und treten im Rahmen einer anderen Erkrankung auf; beispielsweise einer Grippe, Bluthochdruck oder einem Schlaganfall. Insgesamt gibt es mehr als 200 Arten von Kopfschmerzen, die man anhand des Schmerzcharakters, des Ortes, der Intensität, der Begleitsymptomatik und des Auslösers differenzieren kann. Bei so vielen verschiedenen Kopfschmerzarten ist es wichtig, die Art des Kopfschmerzes zu identifizieren. Ursachen, Behandlung und Vorbeugung sind nämlich bei jedem Kopfschmerztyp verschieden (Schrör & Seyfried, 2022).
Spannungskopfschmerzen
Spannungskopfschmerzen machen 90% aller Kopfschmerzen aus. Man verspürt in der Regel einen dumpfen, drückenden Schmerz, wie ein enges Band um die Stirn und dem Hinterkopf. Die Schmerzen sind leicht bis mittelstark. Tritt diese Art von Schmerz an mehr als 15 Tagen im Monat auf, spricht man von chronischen Kopfschmerzen. Meistens ergibt sich keine Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten durch Spannungskopfschmerzen, da sie in ihrer Intensität nicht sehr stark sind und meistens keine Begleiterscheinungen auftreten.
Behandeln kann man Spannungskopfschmerzen mit Schmerzmitteln wie Ibuprofen, Naproxen, Paracetamol und Metamizol. Allerdings ist es nicht immer nötig, auf Medikamente zurückzugreifen, da diese Art von Kopfschmerz oft auch von selbst abklingt. Als Auslöser kommen zum Beispiel Stress sowie eine schlechte Schlafhygiene in Frage, es muss aber nicht zwingend einen bestimmten Auslöser geben. Da diese Art von Kopfschmerz bei vielen Betroffenen immer wieder auftritt und sogar einen chronischen Verlauf annehmen kann, werden bei diesen Menschen folgende vorbeugende Massnahmen empfohlen (Universitätsspital Zürich, 2022):
Wichtig zu erwähnen ist, dass bei längerer Einnahme von rezeptfreien Schmerzmitteln wie Ibuprofen, Naproxen und Paracetamol ein sogenannter medikamenteninduzierter Kopfschmerz auftreten kann, welcher sich durch Kopfschmerzen an mindestens 15 Tagen im Monat trotz Schmerzmitteleinnahme äussert. Daher sollte man diese nicht länger als 3 Tage beziehungsweise an 10 Tagen im Monat verwenden.
Migräne
Migräne ist die zweithäufigste Kopfschmerzart. Betroffen sind mehr Frauen als Männer. Dabei entwickeln sich meist einseitige, pulsierende, pochende oder hämmernde Kopfschmerzen von mittelstarker bis starker Intensität. Zusätzlich treten meistens Begleiterscheinungen wie Übelkeit, Lärm- und Lichtempfindlichkeit bis hin zu Erbrechen auf. Bei manchen Personen zeigt sich vor Auftreten der Kopfschmerzen eine sogenannte „Aura“; diese besteht aus Sehstörungen wie Lichtblitzen, Flimmern und Gesichtsfeldausfällen, aber auch Sprachstörungen, Missempfindungen wie Kribbeln und Taubheitsgefühl bis hin zu Lähmungen können auftreten. Eine Migräne kann einige Stunden bis zu drei Tagen dauern.
Als Ursache der Migräne geht man von einer genetischen Veranlagung aus. Das Risiko einer Migräne kann wiederum durch bestimmte Auslöser, auch als „Trigger“ bekannt, erhöht werden. Dazu zählen Stress, Veränderungen im Schlaf-Wach-Rhythmus, Wetterwechsel und bestimmten Lebens- und Genussmittel wie Zitrusfrüchte, Bananen, Schokolade, Rotwein, Käse und Nikotin. Auch hormonelle Veränderungen erhöhen das Risiko eines Migräneanfalles, beispielsweise kurz vor der Menstruation durch den Östrogenabfall oder durch hormonelle Verhütungsmittel.
Am besten behandelt man eine Migräne im Akutstadium mittels Schmerzmittel wie Acetylsalicylsäure (ASS), Ibuprofen, Naproxen oder Paracetamol. Es gibt auch Kombinationspräparate, die aus einer Kombination von ASS, Paracetamol und Koffein bestehen. Schwere Migräneattacken können mit sogenannten Triptanen unterbunden werden. Diese gibt es auch als Nasenspray, da es bei starker Übelkeit und Erbrechen schwerfallen kann, Tabletten einzunehmen. Wenn Migräneanfälle häufiger als dreimal im Monat auftreten, besonders lang andauern oder nicht effektiv behandelbar sind, kann man zu Migräne-Prophylaktika, sprich Migräne-Vorbeuger, greifen. Dazu zählen Betablocker (Metoprolol, Propanolol), Flunarizin und Amitriptylin sowie auch bestimmte Antiepileptika (Topiramat, Valproinsäure). Abgesehen davon sollte man sich während einer Migräne am besten in einen ruhigen, abgedunkelten Raum begeben (Schrör & Seyfried, 2022).
Cluster-Kopfschmerzen
Diese Art von Kopfschmerz ist gekennzeichnet durch starke, stechende oder brennende Schmerzen hinter dem Auge, der Stirn und der Schläfe. Cluster-Kopfschmerzen treten immer nur einseitig auf. Die Schmerzen nehmen innerhalb einer Attacke schnell zu, meistens innerhalb von zehn Minuten. Im Vergleich zu einer Migräne gehen die Schmerzen mit einem Bewegungsdrang einher. Begleitend dazu ist das betroffene Auge oft gerötet und tränt; die Nase verstopft oder laufend. Die Schmerzattacken dauern in der Regel zwischen fünfzehn Minuten und drei Stunden an. Bei Betroffenen treten diese Attacken mehrmals täglich auf, können aber auch für mehrere Monate verschwinden.
Eine genaue Ursache für Cluster-Kopfschmerzen konnte bis jetzt nicht erforscht werden, jedoch geht man von fehlgesteuerten biologischen Rhythmen (zum Beispiel dem Tagesrhythmus), genetischer Veranlagung sowie anderen Risikofaktoren aus (Alkohol, Nikotin, flimmerndes Licht). In der Akutbehandlung einer Schmerzattacke haben sich Triptane als Nasenspray oder als Injektion bewährt. Auch das Einatmen von reinem Sauerstoff, beispielsweise über eine Gesichtsmaske, führt bei den meisten Betroffenen zu einer Schmerzlinderung. Ferner wirkt bei ca. 30% der Betroffenen ein lokales Betäubungsmittel in der Form eines Nasensprays mit dem Inhaltsstoff Lidocain. Als vorbeugendes Medikament wird häufig Verapamil, ein sogenannter Kalziumantagonist zusammen mit Prednison, einem Kortikosteroid eingesetzt. Da die medikamentösen und vorbeugenden Therapien nicht bei jedem zu einer Besserung der Beschwerden führen, kommen unter Umständen operative Eingriffe in Frage, wie die okzipitale Nervenstimulation. Dies ist eine elektrische Stimulation der Nerven am Hinterkopf über Drähte, die in der Nähe dieser Nerven unter der Haut implantiert werden. Auch die tiefe Hirnstimulation kann Abhilfe schaffen, wobei feine Elektroden durch eine Operation im Hirn eingesetzt werden und dauerhaft elektrische Impulse an die betroffenen Hirnregionen übertragen.
Wann sollte man bei Kopfschmerzen umgehend medizinische Hilfe aufsuchen?
Bei folgenden Warnsignalen sollte man direkt eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen, da diese Symptome möglicherweise auf eine seltene, aber ernste Erkrankung hinweisen:
Zusammenfassend haben die meisten Kopfschmerzen keine ernste zugrundeliegende Ursache. Jedoch sollte bei häufig auftretenden Kopfschmerzen, die den Alltag beeinträchtigen, oder bei einem der oben genannten Warnsignale eine Ärztin oder ein Arzt aufgesucht werden. Für die häufigsten Arten von Kopfschmerzen kann man vorbeugende Massnahmen implementieren, um das Auftreten zu verhindern oder zumindest zu reduzieren. Dazu gehören ein regelmässiger Schlaf-Wach-Rhythmus, eine ausgewogene Ernährung, gleichbleibender Koffeinkonsum, eine ausreichende Wasser-Trinkmenge und regelmässige Bewegung.
Quellen
Gaul, C., Pinar, K., & Kraus, U. (2022). Ausdauersport gegen Kopfschmerzen | MigräneLiga e.V. Deutschland. https://www.migraeneliga.de/ausdauersport-gegen-kopfschmerzen/
Kopfschmerzen. (2022). Universitätsspital Zürich. https://www.usz.ch/krankheit/kopfschmerzen/
Schrör, S., & Seyfried, F. (2022, Mai 12). Kopfschmerzen: Formen, Ursachen, Behandlung. NetDoktor. https://www.netdoktor.ch/symptome/kopfschmerzen/
Silberstein, S. D. (2021, Juli). Überblick über Kopfschmerzen—Störungen der Hirn-, Rückenmarks- und Nervenfunktion. MSD Manual Ausgabe für Patienten. https://www.msdmanuals.com/de/heim/störungen-der-hirn-,-rückenmarks-und-nervenfunktion/kopfschmerzen/überblick/über-kopfschmerzen
Assistenzärztin Psychiatrie
Medizinische Content-Providerin (MED4LIFE)
Die postnatale Entwicklung des Gehirns ist aus vielerlei Gründen faszinierend. Das Gehirn ist das Organ, das postnatal, d.h. nach der Geburt, die stärksten Veränderungen durchmacht. Dieser Artikel soll die kindliche Entwicklung des Gehirns beschreiben, Aufschluss über verschiedene Entwicklungsschritte liefern und auch ergründen, was mit dem Gehirn während der Pubertät passiert.
Kinderärzt*Innen wenden etwa einen Viertel ihrer verfügbaren Zeit für Vorsorgeuntersuchungen auf, bei denen die neurologische Entwicklung den Schwerpunkt bildet. Dabei werden zu verschiedenen Zeitpunkten (die Intervalle werden mit zunehmendem Kindsalter grösser) verschiedene Untersuchungen zum aktuellen neurologischen Status des Kindes gemacht. Die erste Vorsorgeuntersuchung erfolgt in der Regel vier Wochen nach der Geburt und umfasst vor allem Bildgebungsverfahren und die Beweglichkeit. Diese Untersuchung hat also nur am Rand mit dem neurologischen Status zu tun. Mit zwei Jahren erfolgt in der Regel eine sehr spielerische Untersuchung, welche den neurologischen Status miteinbezieht. Dort geht es vor allem um die Aufmerksamkeitsfähigkeit und die Wahrnehmung. Klassische Intelligenztests können erst später angewendet werden, daher dient die Untersuchung des Spielverhaltens der Erfassung der geistigen Entwicklung.
Es gibt faszinierende Fakten zur neurologischen Entwicklung von Kindern, die man noch nicht erklären kann. Kinder können beispielsweise erst mit vier Jahren Erinnerungen bilden (traumatische Erlebnisse können schon früher prägend sein). Generell ist das Alter um den Kindergartenbeginn, wenn das Kind also ungefähr vier Jahre alt ist, ein sehr spannendes Alter in Bezug auf die kindliche Entwicklung des Gehirns. Mit vier Jahren beginnen Kinder zum Beispiel, ein Zeitverständnis zu entwickeln. Das Verständnis für Zeitabstände kommt erst später; dieses entwickeln Kinder in der Regel erst mit der Einschulung. Nun stellt sich die Frage, wie sich Kinder, die noch nicht vier Jahre alt sind, zeitlich orientieren. Diese Frage lässt sich durch den sogenannt basalen Zeitbegriff beantworten. Dieser basale Zeitbegriff beschreibt, dass Kleinkinder (<4 Jahre alt) gewisse Zeitabfolgen anhand von Sinneserlebnissen ausmachen. Wenn sie beispielsweise immer vor dem Essen das Geschirr hören und sehen entwickeln sie ein Verständnis dafür, dass es bald Essen gibt. Das ist jedoch eine sehr primitive Auffassung von Zeitabfolgen und die Entwicklung vom basalen Zeitbegriff zur Erfassung effektiver Zeitabstände dauert Jahre.
Zudem bilden sich etwa im Alter von vier Jahren erste Züge von Empathie aus. Ein zwei- oder dreijähriges Kind kann sich bei seinen Handlungen nicht fragen, was das Gegenüber empfindet. Dieses Einfühlungsvermögen kommt erst mit ungefähr vier Jahren. Fachsprachlich beschrieben wird dieser Prozess als ein Übergang von Autonomieentwicklung zur Perspektivenübernahme. Die Perspektivenübernahme meint, dass ein Kind erkennen kann, dass andere Menschen eigene Meinungen, Wünsche oder Interessen haben. Bei der molekularen Entwicklung des Gehirns ist wichtig, dass sich das Gehirn von hinten nach vorne entwickelt und dass sich die Anzahl Neuronen ab der Geburt nicht mehr verändert! Die Anzahl Neuronen bleibt zwar konstant, die Synapsen, also die Verbindungen zwischen Nervenzellen, steigt jedoch massiv an.
Für die Pubertät ist wichtig, dass Synapsendichte und Energieverbrauch direkt proportional zusammenhängen. Was in der Pubertät mit dem Gehirn geschieht, ist das sogenannte „Pruning“. Das Pruning ist ein Prozess, der die Optimierung der synaptischen Verbindungen beschreibt. Im Kleinkindalter muss man sich die Synapsenbildung wucherartig und ineffizient vorstellen. In der Pubertät werden nun überflüssige Synapsen abgebaut und die Effizienz wird gesteigert. Das heisst, dass es ganz viele neue Verknüpfungen im Gehirn gibt; die Anzahl der Verknüpfungen verkleinert sich jedoch insgesamt. Das ist auch wichtig für den Energieverbrauch, der direkt mit der Synapsenzahl zusammenhängt. Man will also gewissermassen einen übertriebenen Energieverbrauch durch unnötige Synapsen vermeiden. Diese Effizienzsteigerung sorgt auch dafür, dass wichtige Synapsen stärker ausgebildet werden können, was nebst der Reduktion der Anzahl einer zweiten Optimierung gleichkommt.
Weiter oben wurde erwähnt, dass sich das Gehirn von hinten nach vorne entwickelt. Dies ist der Grund, weshalb die Sinnesverarbeitung verhältnismässig früh funktioniert, da die Hirnareale für Sehen und Hören weit hinten lokalisiert sind. Die Areale für Motorik jedoch liegen beispielsweise ziemlich in der Mitte. Das ist die Erklärung dafür, dass Kinder erst nach einigen Monaten (ungefähr sechs) eine bewusst gesteuerte und kontrollierbare Motorik besitzen. Zuvor bezeichnet man die Bewegungen als „general movements“, die spontan und nicht bewusst auftreten. Die Hirnrinde ist der Ort des Bewusstwerdens. Das heisst, dass aufgrund der Entwicklungsrichtung die motorische Hirnrinde vor sechs Monaten noch keine Rolle spielt, da sie schlichtweg noch nicht ausgebildet ist.
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Geruch und Geschmack – Olfaktorik und Gustatorik – wurden in der Fachschaft sehr lange getrennt betrachtet. Der vor ungefähr 15 Jahren aufgekommene integrative Forschungsansatz führte jedoch dazu, dass Untersuchungen zu Zusammenhängen zwischen Geruch und Geschmack intensiviert wurden.
Die Riechzone ist im Bereich der oberen Nasenmuschel lokalisiert. Feine Riechnerven gehen durch kleinste Öffnungen der inneren Schädelbasis zur oberen Nasenmuschel. An dessen Ende sind die Sinneszellen mit ihren Rezeptoren lokalisiert. Die Riechstoffe sind im Schleim gelöst und können nur so wahrgenommen werden. Um mehr über den Geschmack zu erfahren, lesen Sie unseren Artikel zur Geschmackswahrnehmung. In diesem wird erklärt, dass der Geschmack eine stark emotionale Komponente besitzt. Dies ist beim Geruch nicht anders. Die emotionale Komponente kommt daher, dass das Olfaktorische Sinnessystem gerade bei heftigen, prägenden Gerüchen ein ausgeprägtes Langzeitgedächtnis besitzt. Riecheindrücke adaptieren jedoch auf Rezeptorebene sehr schnell. Es gibt also eine schnelle De-Sensitivierung der Rezeptormoleküle. Das merken Sie, wenn Sie für längere Zeit einem penetranten Geruch ausgesetzt sind. Zu Beginn ist der Geruch fast betäubend, doch schon nach wenigen Minuten nimmt die Intensität des Geruchs deutlich ab. Die schnelle Adaptation ist auch auf Spüldrüsen zurückzuführen. Diese sorgen dafür, dass gelöste Geruchsstoffe schnell weitergespült werden.
Um den Geruch zu verstehen, braucht es einige Grundlagen zu den Rezeptoren und zur neuralen Verarbeitung. Der Mensch besitzt ungefähr 1000 Geruchsrezeptoren. Diese Rezeptoren gehören zu den spezifischsten überhaupt. Jede Sinneszelle exprimiert nur einen Rezeptortypen. Es gibt mehr Gerüche als Geruchsrezeptoren. Das lässt darauf schliessen, dass ein Geruch keine Einzelerkennung ist. Es ist anatomisch gar nicht möglich, einen einzigen Geruchsstoff zu erfassen und zu bestimmen. Die Geruchswahrnehmung ist immer eine komplexe Zusammensetzung aus mehreren Geruchsmolekülen. Die neurale Verarbeitung des Geruchs erfolgt an zwei Orten. Ein Anteil geht zum sogenannten Uncus; das ist die klassische Verarbeitung des Geruchs. Hervorzuheben ist jedoch auch die Weiterleitung zum Limbischen System. Das ermöglicht eine emotionale Bewertung des Geruches.
Nun sind die Grundlagen zur Olfaktorik erklärt und die Zusammenhänge zwischen Olfaktorik und Gustatorik können vertieft werden. Der erste bereits erwähnte Zusammenhang liegt darin, dass beide Systeme eine ausgeprägte emotionale Komponente haben. Hinzu kommt, dass beide Sinnessysteme evolutionär ein ähnliches Ziel verfolgen, denn beide dienen der Nahrungsauswahl und sind somit gewissermassen “Absicherungssinne“. Wenn eines der beiden Sinnessysteme die Nahrungszufuhr verweigert, wird in der Regel davon abgelassen, da diese Nahrung in der Regel eine Gefahr birgt. Der Geruch dient noch einer weiteren Absicherung: Er ist wichtig bei menschlichen Interaktionen und vollzieht eine meist unbewusste Bewertung des Gegenübers.
Das Zusammenspiel von Geruch und Geschmack kommt durch die anatomische Nähe zustande. Wenn Sie etwas essen, nehmen Sie das Essen vor der Einnahme als Geruch wahr und nur kurze Zeit später als Geschmack. Das Gehirn verarbeitet diese Sinneseindrücke zwar separat, kann sie uns jedoch nicht als separate Informationen vermitteln. Das Gehirn verknüpft also die zuvor getrennt verarbeiteten Sinneseindrücke. Anhand einer leichten Störung lässt sich das enge Zusammenspiel zwischen Geruch und Geschmack nachweisen. Bei einer Erkältung, die eine verstopfte Nase verursacht, schmeckt das Essen sehr fade. Das betrifft aber genau genommen nicht den Geschmack, sondern die Geruchskomponente des Hybrids aus Geschmack und Geruch. Wenn der Geruchsanteil fehlt, verfälscht das die Wahrnehmung des Essens.
Für das Verständnis ist wichtig, dass Geruchsstoffe auch über den Mund zur Riechschleimhaut gelangen können. Das wird ermöglicht durch die hintere Nasenöffnung, die eine Verbindung zum Pharynx bildet. Diese hintere Nasenöffnung heisst Choane. Dies ist der Grund, weshalb man schlechte Gerüche nicht ganz umgehen kann, indem man durch den Mund atmet. Es ist also nicht so, dass Gerüche bei der Nahrungszufuhr nur in der Zeit vor der Einnahme vermittelt werden, sondern auch wenn die Nahrung gekaut wird – durch ebendiese Überleitung von Geruchsstoffen vom Mund in Richtung der Nasenschleimhaut.
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Der Geschmack ist einer unserer Sinne und gilt als einer der vermeintlich weniger wichtigen. Heutzutage ist der Geschmack vor allem mit Emotionen verbunden. Er bringt ein Stück Lebensqualität. Eine rein funktionelle Ernährung ohne Geschmack ist schwer vorstellbar, daher geht ein Verlust des Geschmackes über längere Zeit oft auch mit psychischen Beschwerden einher. Evolutionstechnisch gesehen war jedoch eine andere Funktion ebenfalls zentral: Die Nahrungsauswahl wurde über den Geschmack getroffen. Viele Gifte enthalten Bitterstoffe, welche unangenehm schmecken, daher war der Geschmackssinn in seinem Ursprung auch eine Art “Absicherungssinn“.
Doch auch heutzutage reichen die Funktionen des Geschmackssinns weit über ein angenehmes Empfinden hinaus! Der Geschmacksinn ist nach der Geburt der erste vollkommen funktionstüchtige Sinn. Zwei wichtige Funktionen des Geschmackssinns sind beispielsweise das Auslösen von Verdauungsreflexen und das Auslösen von sogenannten Feed-Forward-Kontrollsystemen. Bei den Verdauungsreflexen wird zwischen Nahen und Entfernten unterschieden. Das hat mit der anatomischen Distanz vom Ursprungsort und dem Ort des Effektes zu tun. Nahe Verdauungsreflexe sind beispielsweise die Speichelproduktion oder ein Würgereiz bei schlechtem Geschmack. Ein entfernter Verdauungsreflex ist einer, der seinen Effekt nicht direkt im Mundraum hat, sondern weiter entfernt, beispielsweise in der Bauchspeicheldrüse. Wenn Sie also etwas Süsses essen und damit Ihre Süss-Rezeptoren auf der Zunge anregen, wird Insulin aus der Bauchspeicheldrüse ausgeschüttet. Insulin senkt den Blutzuckerspiegel.
Dieses sogenannte Feed-Forward-Kontrollsystem hat Vor- und Nachteile. Die Vorteile kommen daher, dass die Bauchspeicheldrüse von der Nahrungszusammensetzung erfährt, lange bevor die Nahrung in den Darm gelangt, und sich so optimal darauf vorbereiten kann. Der grosse Nachteil besteht jedoch darin, dass dieses System getäuscht werden kann. Diese Täuschungsmöglichkeit der Süss-Rezeptoren wird zum Beispiel von Getränkeherstellern, die eine „Zero-Version“ ihres klassischen Getränks verkaufen, ausgenutzt. Diese Versionen enthalten zwar keinen Zucker, jedoch viele andere künstliche Süssungsmittel, welche ebenfalls die Süss-Rezeptoren der Zunge aktivieren und somit eine Insulin-Ausschüttung verursachen. Der Effekt ist in diesem Fall noch stärker, da das Insulin wirkt, es jedoch gar keinen Zucker zu verdauen gibt. Das Resultat ist eine Unterzuckerung (zu tiefer Blutzucker), die Hunger verursacht und schlussendlich den vermeintlichen Vorteil eines „Zero-Getränks“ zunichtemacht.
Es gibt fünf Geschmacksqualitäten: süss, sauer, salzig, bitter und umami. Umami ist eine sehr neue Geschmacksqualität. Das Wort „umami“ kommt aus dem Japanischen und bedeutet Wohlgeschmack. Umami kann am ehesten mit „proteinartig“ beschrieben werden. Ein gutes Steak kommt der Geschmacksqualität vermutlich am nächsten. Allen Geschmacksqualitäten ist gemeinsam, dass sie über Rezeptoren wahrgenommen werden. „Scharf“ ist keine Geschmacksqualität, da Schärfe durch das Triggern von freien Nervenendigungen in der Schleimhaut der Zunge vermittelt wird und nicht über spezifische Rezeptoren. Spannend sind auch die Empfindlichkeitsunterschiede, welche ebenfalls einen evolutionären Hintergrund haben. Die Schwelle für sauer und bitter liegt deutlich tiefer als diejenige für salzig und süss, was damit zu tun hat, dass Gifte vor allem sauer und bitter sind. Für die Geschmacksqualität umami konnte man bis anhin keine Schwelle definieren. Die Rezeptoren sind sehr komplex, lassen sich jedoch generell in zwei Klassen unterteilen. Es gibt Rezeptoren, die Ionenkanäle für die Verarbeitung verwenden, und solche, die komplexe Kaskaden auslösen. Nur „salzig“ und „sauer“ werden durch Ionenkanäle vermittelt.
Bis vor ungefähr zehn Jahren galt die Annahme, dass es für die verschiedenen Geschmacksqualitäten spezifische Geschmackszonen auf der Zunge gibt. Diese Annahme hat sich jedoch als falsch herausgestellt: Die Rezeptoren sind alle diffus verteilt auf der Zunge, was es jedoch gibt, sind Bereiche mit höherer Rezeptordichte (wie beispielsweise an der Zungenspitze und am Zungengrund) und Bereiche mit tiefer Rezeptordichte (wie an der Seite der Zunge). Die Zusammensetzung der Rezeptoren an einem Ort mit hoher Rezeptordichte ist jedoch absolut diffus. Es gibt an der Zungenspitze also Rezeptoren für alle Geschmacksqualitäten.
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Der Thalamus ist eine Struktur im Gehirn, die oberhalb des Hirnstamms lokalisiert ist und das Zwischenhirn bildet. Er besteht aus sehr vielen Subregionen, die es ihm ermöglichen, mehrere spezifische Funktionen zu übernehmen. Generell dient der Thalamus als massive Umschalt- und Filterstation für Afferenzen (Eingänge ins Gehirn), die aus dem Körper über das Rückenmark und den Hirnstamm zum Gehirn laufen. Jegliche Information, die zum Kortex, also zur Hirnrinde und somit zum Bewusstsein gelangt, wird über den Thalamus verschaltet. Daher wird der Thalamus häufig als «Tor zum Bewusstsein» bezeichnet. Er erlaubt das Eintreten von Informationen in den Kortex. Wenn Informationen ohne den Kortex (fachsprachlich «subkortikal») verarbeitet werden, sind diese Informationen unserem Bewusstsein vorenthalten. Ein Beispiel für subkortikale Verarbeitung sind Reflexe. Der vermutlich bekannteste Reflex, der Kniesehnenreflex, wird nur im Rückenmark verschaltet und ist somit jeglichem Bewusstsein entzogen. Sie können bei diesem Reflex also keinen Einfluss auf die Reaktion ihres Unterschenkels nehmen. Ein anderes spannendes Beispiel ist die Haltungsmotorik. Wenn Sie beispielsweise sitzen, ist Ihnen nicht permanent bewusst, welcher Muskel in welchem Spannungszustand verharrt, um Ihnen ein aufrechtes Sitzen zu ermöglichen.
Der Thalamus ist wie bereits erwähnt Schaltstation für alle Eingänge (Afferenzen) ins Gehirn. Die einzige sensorische Verarbeitung, die sich dem Thalamus entzieht, ist die Olfaktorik, also die Geruchsverarbeitung. Der Thalamus ist unter anderem in die Motorik involviert, da die Motorik ein Zusammespiel aus Kleinhirn und Kortex ist. Der Thalamus dient als Informationsübermittler zwischen Kortex und Kleinhirn. Eine weitere sehr wichtige Funktion ist die Selektivität der Weiterleitung von Informationen. Der Thalamus entscheidet, welche Informationen zum Kortex und somit zum Bewusstsein gelangen. Er bildet also die Grundlage für die gerichtete Aufmerksamkeit. Wenn man beispielsweise in der Schule sitzt und sie konzentrieren muss, gilt die gerichtete Aufmerksamkeit dem Lehrer. Wenn man dann jedoch entscheidet, dass man lieber aus dem Fenster schaut, dient die selektive Aufmerksamkeit diesen Eindrücken und der Thalamus unterdrückt die immer noch vorhandenen sensorischen Eingänge des Lehrers selektiv.
Kurz gefasst kann man den Thalamus als zentrales Integrations- und Steuerungsorgan für alle sensiblen und sensorischen Informationen auffassen. Der Aufbau dieses zentralen Bestandteils des menschlichen Gehirns ist trotz seiner vielfältigen Funktionen relativ einfach. Der Thalamus hat eine paarige Ei-Struktur. Er ist oberhalb des Hirnstamms lokalisiert, da er als Bindeglied zwischen Rückenmark und Kortex fungiert. Bis heute ist man sich in der Forschung uneinig, ob die beiden Thalamus-Hälften miteinander kommunizieren.
Das Bild zeigt die wichtigsten Projektionsareale des Thalamus. Es zeigt auf, dass der Thalamus wie eine Verteilerstation für Informationen funktioniert. Er steuert ganz unterschiedliche Kortexareale, wie beispielsweise das limbische System (gelb dargestellt), das der Emotionsverarbeitung dient. Das Bild zeigt auch, dass der Thalamus nicht einfach eine wilde Umschaltstation ist. Er besteht aus vielen verschiedenen kleineren Kernen. Das führt zu einem hohen Organisationsniveau innerhalb des Thalamus.
Thalamusläsionen treten am häufigsten aufgrund von Durchblutungsstörungen auf. Ein Hirninfarkt in dieser Region kann also zu einem Funktionsverlust des Thalamus führen. Die Symptomatik dabei ist sehr vielfältig und daher ist es oft schwierig, auf diese Ursache zu schliessen. Die am häufigsten auftretenden Symptome sind Doppelbilder, Gesichtsfeldausfälle und Sprachstörungen. Weitere Symptome sind Gefühlsstörungen und Lähmungen der Muskulatur. Häufig treten auch Aufmerksamkeitsprobleme auf, was damit zusammenhängt, dass die Selektivität der Informationsweiterleitung nicht mehr gewährleistet ist. Sonstige (beispielsweise angeborene) Erkrankungen des Thalamus sind kaum bekannt, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass eine zu starke Funktionseinschränkung des Thalamus nicht mit dem Leben vereinbar ist.
Quelle
Bild 1: Projektionsareale des Thalamus. http://www.elsevier-data.de/rochelexikon5a/ pics/p38240.000-1.html (zuletzt am 22.04.2022 um 12:30)
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Der Vestibularapparat, Fachbegriff für das Gleichgewichtsorgan, ist im Innenohr lokalisiert. Die Annahme, dass dieser alleine für unser Gleichgewicht zuständig ist, ist jedoch falsch. Um eine gute Gleichgewichtslage zu finden und in allen Alltagssituationen zu erhalten, ist die Integration von drei Komponenten essentiell. Der Vestibularapparat bildet die Hauptkomponente, aber auch die Augen und die Propriozeption sind wichtig für das Gleichgewicht. Die visuelle Verarbeitung liegt auf der Hand, da sie uns Informationen über die Umgebung liefert. Die Propriozeption beschreibt die Wahrnehmung des eigenen Körpers und dessen Lage im Raum. Vor allem die Stellung vom Kopf zum Rumpf und die Stellung vom Rumpf im Raum sowie die Position der Gliedmassen sind entscheidende Beiträge der Propriozeption für das Gleichgewicht. Als einfaches Beispiel für propriozeptive Verarbeitung dient das Verschränken der Hände hinter dem Rücken. Sie können das nicht sehen, wissen jedoch zu jeder Zeit, wo die Hand wie positioniert ist, und könnten dies beispielsweise beschreiben oder zeichnen.
Die Gravitation (= Schwerkraft) ist die evolutionstechnisch konstanteste Bezugsgrösse für einen Körper, daher orientiert sich auch der Vestibularapparat danach. Der Vestibularapparat besteht aus drei Bogengängen, welche alle orthogonal (senkrecht) zueinander sind. Diese erfassen Winkelbeschleunigungen. Hinzu kommen zwei Statolithenorgane, die sogenannten Maculae, welche Linearbeschleunigungen erfassen. Die beiden Maculae heissen Utriculus und Sacculus. Der Utriculus ist für horizontale (z.B. Liegen) und der Sacculus für vertikale Beschleunigungswahrnehmungen zuständig.
Das Bild veranschaulicht die genannten Strukturen und zeigt die enge strukturelle Beziehung zur Hörschnecke (Cochlea). Die Hörschnecke und der Vestibularapparat funktionieren im Inneren zwar nach ähnlichen Prinzipien, haben funktionell jedoch nichts miteinander zu tun!
Diese komplizierten Macula-Organe funktionieren über ein faszinierendes, hier etwas vereinfacht dargestelltes Prinzip. Im Inneren der Macula-Organe ist eine Flüssigkeit, die Endolymphe, lokalisiert. Das Organ ist ausgekleidet von einer Schicht von Stütz- und Sinneszellen. Die Sinneszellen sind Haarzellen, sie haben also haarähnliche Fortsätze, die zur Endolymphe hin ausgerichtet sind. Auf dieser Zellschicht ist eine sogenannte Statolithenmembran lokalisiert. Diese Membran besteht aus Zuckern und Calciumkarbonatkristallen. Wichtig für das Verständnis ist, dass diese Bestandteile eine sehr hohe Dichte verursachen. Die Dichte der Statolithenmembran ist mit 3g/cm3 etwa drei-mal höher als die Dichte von Wasser (und somit auch von der Endolymphe). Dieses Bild zeigt einen Querschnitt der Macula-Organe. Die Gallerte (braun) und die Otolithen bilden zusammen die Statolithenmembran.
Wenn nun eine Linearbeschleunigung erfolgt, verschiebt sich die Statolithenmembran aufgrund ihres im Vergleich zur Endolymphe höheren spezifischen Gewichts gegenüber den Haarzellen. Das verursacht eine Abscherung der Sinneshaare. Dieses mechanische Signal wird in den Haarzellen, welche Sinneszellen sind, in ein elektrisches Signal umgewandelt. Dieses wiederum kann über einen Nerv im Gehirn verarbeitet werden. Vereinfacht gesagt übermittelt also das Bewegen einer Flüssigkeit durch Beschleunigung eine Information zum Gleichgewicht. Dabei gibt es bei den Haaren noch ein wichtiges Detail: Jede Haarzelle hat ein randständiges längeres Haar. Wenn die Haare durch die Statolithenmembran in Richtung dieses längsten Haares gebogen werden, ist das die Stimulationsrichtung und es gibt eine höhere Feurrate von Aktionspotentialen. Das bedeutet, dass pro Zeiteinheit mehr Aktionspotentiale ausgelöst werden. Dadurch wird der Veränderung der Gleichgewichtsposition im Gehirn verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet. Das Abscheren in Gegenrichtung von diesem längsten Haar hingegen bewirkt eine Inhibition.
Die Gleichgewichtswahrnehmungen der Bogengänge funktionieren im Prinzip gleich. Auch dort gibt es Sinneszellen mit Haaren. Das erste Bild zeigt, dass jeder Bogengang am Ende zu einer Ampulle erweitert ist. Die Sinneszellen der Bogengänge sind nur dort lokalisiert. Auch hier gibt es ein Analogon zur Statolithenmembran, die bei den Ampullen Cupula genannt wird. Die Cupula umgibt also die Sinneshaare und ist verantwortlich für deren Biegung und somit für die Umwandlung eines mechanischen in ein elektrisches Signal. Es gibt jedoch einen ganz entscheidenden Unterschied zwischen Cupula und Statolithenmembran: Bei den Ampullen möchten Drehbeschleunigungen erfasst werden, daher soll die Schwerkraft keine Wirkung haben. Aus diesem Grund hat die Cupula im Gegensatz zur Statolithenmembran das gleiche spezifische Gewicht (Dichte) wie die Endolymphe.
Es gibt Erkrankungen des Vestibularapparats, diese sind jedoch sehr selten. Was in der Bevölkerung deutlich häufiger vorkommt und einen Einfluss auf den Vestibularapparat hat, ist übermässiger Alkoholkonsum. Der Grund, weshalb man nach übermässigem Alkoholkonsum Gleichgewichtsstörungen hat und beispielsweise nicht mehr geradeaus laufen kann, liegt darin, dass Alkohol eine sehr tiefe Dichte hat (0.8g/cm3). Die Region um die Cupula ist sehr gut durchblutet, daher gelangt der Alkohol schnell in diese Umgebung. Dadurch reduziert sich die Dichte der Cupula gegenüber der Endolymphe und die Bogengänge reagieren nun auf die Schwerkraft, was sie unter normalen Bedingungen nicht machen, da Cupula und Endolymphe ja eigentlich dieselbe Dichte haben sollten. Wenn Cupula und Endolymphe die gleiche Dichte haben, wird nicht auf die Schwerkraft reagiert, die Verfälschung durch den Alkohol sorgt jedoch genau dafür.
Quellen
Bild 1 & Bild 2: Diatec. Der Vestibularapparat. https://www.diatec-diagnostics.ch/knowledge-base/category/balance (zuletzt am 22.04.2022 um 16:00)
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