Geruch und Geschmack – Olfaktorik und Gustatorik – wurden in der Fachschaft sehr lange getrennt betrachtet. Der vor ungefähr 15 Jahren aufgekommene integrative Forschungsansatz führte jedoch dazu, dass Untersuchungen zu Zusammenhängen zwischen Geruch und Geschmack intensiviert wurden.
Die Riechzone ist im Bereich der oberen Nasenmuschel lokalisiert. Feine Riechnerven gehen durch kleinste Öffnungen der inneren Schädelbasis zur oberen Nasenmuschel. An dessen Ende sind die Sinneszellen mit ihren Rezeptoren lokalisiert. Die Riechstoffe sind im Schleim gelöst und können nur so wahrgenommen werden. Um mehr über den Geschmack zu erfahren, lesen Sie unseren Artikel zur Geschmackswahrnehmung. In diesem wird erklärt, dass der Geschmack eine stark emotionale Komponente besitzt. Dies ist beim Geruch nicht anders. Die emotionale Komponente kommt daher, dass das Olfaktorische Sinnessystem gerade bei heftigen, prägenden Gerüchen ein ausgeprägtes Langzeitgedächtnis besitzt. Riecheindrücke adaptieren jedoch auf Rezeptorebene sehr schnell. Es gibt also eine schnelle De-Sensitivierung der Rezeptormoleküle. Das merken Sie, wenn Sie für längere Zeit einem penetranten Geruch ausgesetzt sind. Zu Beginn ist der Geruch fast betäubend, doch schon nach wenigen Minuten nimmt die Intensität des Geruchs deutlich ab. Die schnelle Adaptation ist auch auf Spüldrüsen zurückzuführen. Diese sorgen dafür, dass gelöste Geruchsstoffe schnell weitergespült werden.
Um den Geruch zu verstehen, braucht es einige Grundlagen zu den Rezeptoren und zur neuralen Verarbeitung. Der Mensch besitzt ungefähr 1000 Geruchsrezeptoren. Diese Rezeptoren gehören zu den spezifischsten überhaupt. Jede Sinneszelle exprimiert nur einen Rezeptortypen. Es gibt mehr Gerüche als Geruchsrezeptoren. Das lässt darauf schliessen, dass ein Geruch keine Einzelerkennung ist. Es ist anatomisch gar nicht möglich, einen einzigen Geruchsstoff zu erfassen und zu bestimmen. Die Geruchswahrnehmung ist immer eine komplexe Zusammensetzung aus mehreren Geruchsmolekülen. Die neurale Verarbeitung des Geruchs erfolgt an zwei Orten. Ein Anteil geht zum sogenannten Uncus; das ist die klassische Verarbeitung des Geruchs. Hervorzuheben ist jedoch auch die Weiterleitung zum Limbischen System. Das ermöglicht eine emotionale Bewertung des Geruches.
Nun sind die Grundlagen zur Olfaktorik erklärt und die Zusammenhänge zwischen Olfaktorik und Gustatorik können vertieft werden. Der erste bereits erwähnte Zusammenhang liegt darin, dass beide Systeme eine ausgeprägte emotionale Komponente haben. Hinzu kommt, dass beide Sinnessysteme evolutionär ein ähnliches Ziel verfolgen, denn beide dienen der Nahrungsauswahl und sind somit gewissermassen “Absicherungssinne“. Wenn eines der beiden Sinnessysteme die Nahrungszufuhr verweigert, wird in der Regel davon abgelassen, da diese Nahrung in der Regel eine Gefahr birgt. Der Geruch dient noch einer weiteren Absicherung: Er ist wichtig bei menschlichen Interaktionen und vollzieht eine meist unbewusste Bewertung des Gegenübers.
Das Zusammenspiel von Geruch und Geschmack kommt durch die anatomische Nähe zustande. Wenn Sie etwas essen, nehmen Sie das Essen vor der Einnahme als Geruch wahr und nur kurze Zeit später als Geschmack. Das Gehirn verarbeitet diese Sinneseindrücke zwar separat, kann sie uns jedoch nicht als separate Informationen vermitteln. Das Gehirn verknüpft also die zuvor getrennt verarbeiteten Sinneseindrücke. Anhand einer leichten Störung lässt sich das enge Zusammenspiel zwischen Geruch und Geschmack nachweisen. Bei einer Erkältung, die eine verstopfte Nase verursacht, schmeckt das Essen sehr fade. Das betrifft aber genau genommen nicht den Geschmack, sondern die Geruchskomponente des Hybrids aus Geschmack und Geruch. Wenn der Geruchsanteil fehlt, verfälscht das die Wahrnehmung des Essens.
Für das Verständnis ist wichtig, dass Geruchsstoffe auch über den Mund zur Riechschleimhaut gelangen können. Das wird ermöglicht durch die hintere Nasenöffnung, die eine Verbindung zum Pharynx bildet. Diese hintere Nasenöffnung heisst Choane. Dies ist der Grund, weshalb man schlechte Gerüche nicht ganz umgehen kann, indem man durch den Mund atmet. Es ist also nicht so, dass Gerüche bei der Nahrungszufuhr nur in der Zeit vor der Einnahme vermittelt werden, sondern auch wenn die Nahrung gekaut wird – durch ebendiese Überleitung von Geruchsstoffen vom Mund in Richtung der Nasenschleimhaut.
Jil Toman
Student Humanmedizin
Medizinischer Content-Provider (MED4LIFE)