Kann man Demenz vorbeugen?

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Durch die weltweit alternde Bevölkerung steigt auch die Zahl an Demenzerkrankungen. Laut WHO wird sich die Zahl der Betroffenen bis 2050 praktisch verdreifachen – von 50 Millionen auf 150 Millionen Menschen weltweit (Patterson, World Alzheimer Report 2018.) Demenz ist in der Schweiz und in vielen anderen europäischen Ländern der häufigste Grund für eine Einweisung in ein Pflegeheim. Dennoch tritt die Erkrankung heute in vielen Ländern später ein als in der Vergangenheit. Dies ist Fortschritten in Bereichen wie der Gesundheitsversorgung, Ernährung, Bildung und Lebensstilmodifikationen zu verdanken. Ist es möglich, Demenz vorzubeugen und welche Massnahmen helfen tatsächlich?

Was ist eine Demenz?

Demenz ist keine Krankheit, sondern beschreibt eine Sammlung von Symptomen, die unterschiedliche Ursachen haben können. Insgesamt gibt es über 50 Krankheitsformen. Die Alzheimer-Demenz kommt bei 75% der Betroffenen vor. Merkmale aller Demenzformen sind eine anhaltende und fortschreitende Beeinträchtigung des Kurz- und Langzeitgedächtnisses und des Denkens. Dazu kommen oft Persönlichkeitsveränderungen, Verhaltensveränderungen und neurologische Auffälligkeiten wie Gangstörungen. Häufig kommen auch psychiatrische Auffälligkeiten, wie eine Depression hinzu. Frühe Anzeichen sind meist ein gestörtes Frühzeitgedächtnis, Orientierungsstörungen, Wortfindungsstörungen und Stimmungsschwankungen. Als betroffene Person vergisst man zum Beispiel häufig, wo man seine Schlüssel hingelegt hat oder kann sich nicht mehr an einen vertrauten Weg erinnern. Zudem reagieren viele Demenzerkrankte aufgrund des Verlustes der Unabhängigkeit mit Unruhe, Reizbarkeit, Feindseligkeiten bis hin zu aggressivem Verhalten. (Demenz – MSD Manuals)

Welche Demenzformen gibt es?

Die verschiedenen Demenzformen kann man in primäre und sekundäre Demenzen einteilen. Primäre Demenzen haben ihren Ursprung im Gehirn und sind eigenständige Krankheitsbilder. Dazu gehören Alzheimer-Demenz, vaskuläre Demenz, Lewy-Body Demenz und Frontotemporale Demenz. Sekundäre Demenzen sind eher selten und treten im Rahmen einer anderen Erkrankung auf, wie einer Alkoholabhängigkeit oder Vitaminmangelerkrankung.

Verantwortlich für die Symptome sind neurodegenerative Veränderungen. Bei einer Demenz sterben sukzessive Nervenzellen ab, die Nervenverbindungen zwischen den Nervenzellen gehen verloren. Man geht davon aus, dass bei circa einem Prozent der Betroffenen einer Alzheimer-Demenz die Erkrankung auf eine genetische Mutation zurückzuführen ist (Demenz, NetDoktor). Es gibt typische Unterschiede zwischen den verschiedenen primären Demenzen. Eine Alzheimer-Demenz beginnt meist schleichend und verschlimmert sich eher langsam. Die vaskuläre Demenz hat einen plötzlichen Beginn und die Symptome nehmen schubweise zu. Die Lewy-Body Demenz ist seltener und ist von Parkinson-Symptomen wie einem verlangsamten Bewegungsablauf, Muskelstarre und Halluzinationen (Stimmenhören, optische Bilder) begleitet. Die Frontotemporale Demenz äussert sich primär in einer Wesensveränderung mit Verlust der Manieren und auffälligem Sozialverhalten. Oft äussert sich das Verhalten in Form von aggressiver und gereizter Stimmung des Betroffenen bis hin zu sexueller Enthemmung und Distanzlosigkeit gegenüber anderen. Die Gedächtnisstörungen treten meist erst später auf.

Vorbeugende Massnahmen gegen Demenz

Mit der Thematik der Vorbeugung gegen Demenz hat sich eine Studie genauer befasst (Livingston et al., 2020). Diese Studie basiert auf der Prüfung vieler anderer Studien und Meta-Analysen aus der ganzen Welt. So wurde festgestellt, dass es insgesamt 12 veränderbare Risikofaktoren für eine Demenz gibt. Diese sind einerseits soziale Faktoren, wie geringe Bildung, soziale Isolation und Luftverschmutzung; Andererseits körperliche und psychische Ursachen wie Bluthochdruck, Diabetes, Depressionen, Hörverlust, körperliche Immobilität und Kopfverletzungen. Zuletzt gelten auch die folgenden Lifestyle Faktoren als Risiko: Rauchen, übermässiger Alkoholkonsum und Übergewicht . Bis zu 40% aller Demenzerkrankungen könnten laut der Studie verhindert oder zeitlich verzögert werden, wenn diese Risikofaktoren eliminiert werden.

Somit ergeben sich die folgenden 10 Ansätze zur Prävention:

  1. Eine Grund- und Sekundarschulausbildung – die kognitive Förderung, das heisst, die Förderung von Aktivitäten, die das Gehirn beanspruchen, gilt als bedeutender protektiver Faktor
  2. Meiden von Orten mit hoher Luftverschmutzung und Passivrauchen durch Tabakrauch
  3. Der Einsatz von Hörgeräten bei Hörverlust und Verringerung der Entstehung von Hörverlust durch Schutz vor übermäßiger Lärmbelastung
  4. Regulierung des Blutdrucks. Der Blutdruck besteht aus 2 Werten, der erste Wert von beiden ist immer höher als der zweite Wert. Als Zielblutdruck gilt in der Regel 120/80. Der erste Wert ist der systolische Blutdruck, dieser misst den Druck beim Herzschlag. Der zweite Wert misst den Blutdruck bei Erschlaffung des Herzmuskels. Eine Erhöhung des ersten Wertes über 145 ist mit einem erhöhten Demenzrisiko verbunden.
  5. Vermeidung von Kopfverletzungen
  6. Begrenzter Alkoholkonsum – mehr als 21 Einheiten pro Woche erhöhen das Demenzrisiko signifikant. Eine Einheit entspricht 10-20g reinen Alkohol, also beispielsweise ein Glas Wein, ein kleines Bier oder 0,3dl Schnaps.
  7. Vermeidung von Zigarettenrauchen
  8. Gesundes Gewicht – Fettleibigkeit und damit häufig verbundene Erkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes erhöhen das Demenzrisiko deutlich
  9. Regelmässige körperliche Aktivität in jungem und fortgeschrittenem Alter
  10. Regelmässige kognitive Aktivitäten – dazu gehören Puzzles, Kreuzworträtsel, das Lernen einer neuen Sprache, Lesen von Büchern und Zeitschriften, Kopfrechnen oder Spiele wie Schach, Würfel- und Kartenspiele

Wichtig: diese Faktoren bestimmen nicht definitiv, ob man eine Demenz entwickelt oder nicht. Sie ist in manchen Fällen genetisch veranlagt oder tritt als Folge anderer Erkrankungen auf. Trotzdem spricht die Evidenzlage eindeutig dafür, die oben genannten Faktoren zu berücksichtigen. Insbesondere primäre Demenzformen, wie die Alzheimer-Demenz, können dadurch zeitlich um Jahre verzögert oder ganz vermieden werden.

Quellen

Demenz: Formen, Symptome, Behandlung. (o. J.). NetDoktor. Abgerufen 14. September 2022, von https://www.netdoktor.ch/krankheiten/demenz/

Demenz—Neurologische Krankheiten. (o. J.). MSD Manual Profi-Ausgabe. Abgerufen 14. September 2022, von https://www.msdmanuals.com/de/profi/neurologische-krankheiten/delir-und-demenz/demenz

Livingston, G., Huntley, J., Sommerlad, A., Ames, D., Ballard, C., Banerjee, S., Brayne, C., Burns, A., Cohen-Mansfield, J., Cooper, C., Costafreda, S. G., Dias, A., Fox, N., Gitlin, L. N., Howard, R., Kales, H. C., Kivimäki, M., Larson, E. B., Ogunniyi, A., … Mukadam, N. (2020). Dementia prevention, intervention, and care: 2020 report of the Lancet Commission. The Lancet, 396(10248), 413–446. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)30367-6

Patterson, C. (o. J.). World Alzheimer Report 2018—The state of the art of dementia research: New frontiers. London: Alzheimer’s Disease International, 2018, 48.

dr. med. univ. Anemone Rutter

dr. med. univ. Anemone Rutter

Assistenzärztin (MED4LIFE)

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