Nebst körperlichen Krankheiten können Menschen auch unter psychischen Krankheiten leiden. Psychische Störungen sind sehr verbreitet. Gemäss dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) erkranken in der Schweiz im Laufe eines Jahres bis zu einem Drittel der Bevölkerung daran. Des Weiteren sind psychische Störungen in der Schweiz die häufigste Ursache für Invalidität. Studien haben gezeigt, dass jede zweite Person irgendwann im Leben von einer psychischen Erkrankung betroffen ist. Wenn man selbst nicht betroffen ist, kennt man meist jemanden aus dem Umfeld, der psychisch erkrankt.
Wir Menschen sind sehr robust konzipiert, sodass wir meist in der Lage sind, negative oder traumatische Ereignisse zu bewältigen und uns nach kurzer Zeit wieder zu erholen. Dennoch kann es vorkommen, dass wir den Umständen nicht gewachsen sind und es zu einer psychischen Dekompensation (Zusammenbruch) und schliesslich zu einer Krankschreibung kommt. In einem solchen Fall sind die Lebensqualität und die allgemeine Lebensbewältigung beeinträchtigt sowie der Leidensdruck und die Belastung hoch. Es können z.B. Konzentrationsschwierigkeiten und Schlafprobleme, sogar körperliche Symptome auftreten. Die Leistungsfähigkeit sinkt.
Psychische Störungen sind meist gut behandelbar, weshalb es sich lohnt, sich bei Fachpersonen, z.B. Psychotherapeuten oder Psychiater, Unterstützung zu holen. Je früher eine Behandlung gestartet wird, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit einer Verbesserung. Und je höher die eigene Veränderungsmotivation, desto erfolgreicher kann eine Psychotherapie sein. Leider ist es heutzutage immer noch so, dass sich viele keine Hilfe holen, z.B. aus Scham, aus Angst vor Stigmatisierung oder weil man es doch alleine schaffen möchte. Nicht selten werden Bewältigungsstrategien angewendet, welche schädlich sind (z.B. Alkoholkonsum, selbstverletzendes Verhalten), oder man zieht sich vollständig zurück und bricht den Kontakt mit Freunden ab. Um einen besseren Umgang mit der schwierigen Situation zu finden und insbesondere um genauer abzuklären und um zu verstehen, was eigentlich in einem vorgeht, ist eine Psychotherapie empfehlenswert.
Psychische Erkrankungen sind – anders als viele körperliche Krankheiten – meist von aussen gar nicht erkennbar und man merkt sie den Betroffenen teilweise nicht an. Sie gehören zu den am meisten verbreiteten Erkrankungen und doch werden sie nicht immer erkannt. Eine psychische Störung kann jeden treffen, ob eine beruflich erfolgreiche Person, einen von aussen glücklich wirkenden Vater, oder eine gute Schülerin. Es können Menschen in allen Altersklassen und Gesellschaftsformen darunter leiden. Es gibt viele innere und äussere Einflüsse und Erfahrungen, welche uns prägen und die Entstehung einer psychischen Störung erklären können.
Was sind psychische Störungen?
Der Begriff «Psyche» stammt aus dem Griechischen und bedeutet «Seele». «Unter dem Begriff der Psyche versteht man alle höheren Funktionen des Gehirns, welche die geistigen Eigenschaften und Persönlichkeitsmerkmale eines Menschen ausmachen. Diese umfassen unter anderem die Wahrnehmung, Kognition, Emotion und Motivation sowie deren Wechselwirkungen und die hierdurch beeinflussten Handlungsweisen des Individuums» (DocCheck). Folglich stellen gemäss der WHO psychische Erkrankungen «Störungen der psychischen Gesundheit einer Person dar, die oft durch eine Kombination von belastenden Gedanken, Emotionen, Verhaltensweisen und Beziehungen zu anderen gekennzeichnet sind». Ist eine oder sind mehrere der psychischen Funktionen beeinträchtigt bzw. geraten diese aus dem Gleichgewicht, kann sich eine psychische Störung entwickeln. Diese zeigt sich durch eine Veränderung des Verhaltens, der Gefühle, des Denkens und des Körpers. Welche konkreten Merkmale verändert bzw. beeinträchtigt sind, hängt vom Störungsbild ab.
Welche psychischen Störungen gibt es?
Einige Beispiele von psychischen Störungen sind Depression, Angststörungen, Zwangsstörungen, Essstörungen, Schizophrenie, psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, Persönlichkeitsstörungen und Intelligenzstörung. Am Beispiel der Depression können Veränderung des Verhaltens, der Gefühle, des Denkens und des Körpers folgendermassen aussehen:
- Gedrückte Stimmung (Gefühl der Traurigkeit und Leere)
- Antriebslosigkeit
- Verlust von Interesse und Freude
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Ausgeprägte Müdigkeit, Schlafstörungen
- Innere Unruhe
- Veränderter Appetit
- Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
- Gedanken über eigene Wertlosigkeit und Schuldgefühle, Selbstkritik, Grübeln
- Sozialer Rückzug
- Verhaltenssymptome wie kraftlose, gebeugte Körperhaltung, verlangsamte Bewegungen, monotone Sprache
Darunter gibt es vermutlich einige Symptome, welche jeder auch von sich kennt. Dies bedeutet aber nicht automatisch, dass man unter einer Depression leidet. Psychische Störungen werden nach einem bestimmten Schema kategorisiert, damit sie besser erkannt und beurteilt werden können. Man verwendet heute zwei Klassifikationssysteme, DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) und ICD-11 (International Classification of Diseases). Das ICD-11 wurde von der WHO herausgegeben und beinhaltet neben psychischen Störungen auch somatische/körperliche Krankheiten. Im Fall der Depression legt das ICD-11 nebst dem Vorliegen von Symptomen auch weitere Kriterien fest, wie zum Beispiel die Dauer, die Anzahl und den Schweregrad der Symptome.
Diese Klassifikationssysteme sind die Grundlage für die Diagnose einer psychischen Erkrankung. Sie beinhalten eine genaue Beschreibung von Beeinträchtigungen bzw. Kriterien, welche gegeben sein müssen, um eine Diagnose zu stellen. Bedeutsam sind diese Klassifikationssysteme auch, um den Behandlungsplan festzulegen, sodass möglichst gezielt eine psychotherapeutische und/oder psychiatrische Unterstützung erfolgen kann.
Quellen
https://www.obsan.admin.ch/sites/default/files/obsan_bulletin_2017-05_d.pdf
https://www.obsan.admin.ch/sites/default/files/obsan_72_bericht_2.pdf
https://www.obsan.admin.ch/sites/default/files/obsan_15_2020_bericht_2.pdf
https://www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/sozialversicherungen/iv/statistik.html
https://flexikon.doccheck.com/de/Psyche
American Psychiatric Association (2014). Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen: DSM-5. Göttingen: Hogrefe.
Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M. H. (2015). Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD-10 Kapitel V (F) – Klinisch-diagnostische Leitlinien (10., überarb. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.
Perrez, M. & Baumann, U. (2005). Lehrbuch Klinische Psychologie-Psychotherapie, 3. Auflage. Bern: Huber.
Wanda Buonanno
Master of Science in Psychologie
Medizinische Content-Providerin (MED4LIFE)