Die Pubertät ist sowohl für das Kind als auch für die Eltern eine sehr prägende Zeit. Das Kind wird vom Mädchen zur Frau oder vom Jungen zum Mann. Das Erscheinungsbild verändert sich sehr stark, die Geschlechtsreife wird erlangt und es finden auch massive neurologische Veränderungen statt. In diesem Artikel möchte ich vor allem auf die neurologischen Veränderungen eingehen. Sie sind eine mögliche Erklärung für Verhaltensweisen von Kindern in der Pubertät, die Eltern teilweise nicht nachvollziehen können.

Im Artikel zur kindlichen Entwicklung des Gehirns wurde die Pubertät bereits kurz aufgegriffen. Dort lag der Fokus vor allem auf dem sogenannten Pruning. Das Pruning beschreibt eine Reduktion der Synapsen im Gehirn mit dem Ziel, die Effizienz zu steigern. Durch weniger Synapsen wird der Energieverbrauch des Gehirns reduziert. Gleichzeitig werden Synapsen, die sich im bisherigen Leben als wichtig herausgestellt haben, verstärkt ausgebildet. Es findet also eine massgebende Veränderung statt. Ein Dozent des Joint Medical Masters HSG-UZH beschreibt das Pruning folgendermassen: Es ist wie ein Systemupdate eines technischen Geräts, welches das Erwachsensein ermöglicht. Diese Synapsenveränderungen sind numerisch nicht wirklich nachvollziehbar, doch sie sind mit Sicherheit tiefgreifend und betreffen alle Hirnareale. Diese massive Veränderung im Gehirn ist auch eine biologische Erklärung für das, was Eltern manchmal als Hirngespinste von Pubertierenden auffassen.

Dies kann die elterliche Erziehung in der Pubertät erschweren, da gewisse negative Verhaltensweisen einen eindeutigen biologischen Hintergrund haben. Nebst den neurologischen Veränderungen gibt es einen zweiten biologischen Aspekt, welcher gewisse Verhaltensweisen nicht unbedingt rechtfertigt aber zumindest erklärt. Pubertierende Kinder haben die höchsten Hormonspiegel überhaupt und Hormone können sich auf unser Verhalten auswirken. Ein pubertierender junger Mann hat beispielsweise einen extrem hohen Testosteronspiegel, was eine biologische Begründung dafür ist, dass viele junge Männer während dieser Zeit sehr impulsiv sind. Als Eltern stellt sich die Frage, wie man damit optimal umgeht. Das Kind ist für seinen Hormonspiegel nicht verantwortlich, aber Eltern dürfen dennoch auch erwarten, dass dieses impulsive Verhalten beispielsweise nicht den ganzen Familienalltag beeinflusst. Diese Balance ist sehr schwierig, aber man geht davon aus, dass Aufklärungsarbeit die besten Ergebnisse liefert. Wenn dem pubertierenden Kind bewusstgemacht wird, wie entscheidend die biologischen Vorgänge in seinem Körper gerade sind, kann das Kind in der Regel besser damit umgehen. Denn oft sind die Jugendlichen selbst etwas orientierungslos in dieser Zeit und sind froh um eine „Erklärung“ für ihr eigenes Verhalten.

Die Pubertät birgt jedoch noch einen weiteren Aspekt, der die Beziehung zwischen Eltern und Kind oftmals auf die Probe stellt. Da sind einerseits die erwähnten neurologischen Veränderungen und erhöhten Hormonspiegel. Andererseits ist da auch noch ein massiver neurologisch bedingter Freiheitsdrang. Dieser Freiheitsdrang ist biologisch nur in Ansätzen fundiert geklärt. Experten gehen davon aus, dass das Pruning eine tragende Rolle spielt in der Entwicklung dieses starken Freiheitsdrangs. Es gibt auch Annahmen, welche jedoch schwer final zu belegen sind, dass der lange hierarchisch gepflegte Erziehungsstil kombiniert mit dem Pruning diesen Freiheitsdrang auslösen.

Eine Komponente, die den Freiheitsdrang vermutlich stark fördert ist das erstmalige Treffen von eigenen grossen Entscheidungen. In der obligatorischen Schulzeit sind sich Kinder gewöhnt, dass ihr Alltag für sie definiert wird. Mit dem Übertritt in die nachfolgende Ausbildung (Lehre, Maturität, 10. Schuljahr etc.) eröffnen sich dem dann mitten in der Pubertät befindlichen Kind erstmals grosse Entscheidungsmöglichkeiten. Dieses Entdecken einer gewissen Freiheit und Entscheidungsmöglichkeit, erneut kombiniert mit dem Pruning, ist verstärkt vermutlich den Freiheitsdrang. Das kann natürlich Spannungen hervorrufen, da sich Eltern nicht alles gefallen lassen wollen und auch nicht dürfen. Auch hier ist es nach Expertenmeinungen am zielführendsten, das Kind bei Entscheidungen miteinzubeziehen. Ein als besonders vielversprechender Weg ist das gemeinsame Aufstellen von Regeln (Eltern und Kind); das pubertierende Kind kann dann seinen Freiheitsdrang innerhalb dieser Regeln ausleben.

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Jil Toman

Student Humanmedizin
Medizinischer Content-Provider (MED4LIFE)