Obwohl sie oft unangenehm sind, erfüllen auch Schmerzen ihren Zweck – meist in der Form eines Warnsignals. Trotzdem können sie, vor allem wenn sie langanhaltend und chronisch sind, eine hohe Belastung sein. Auch ist die Empfindung von Schmerz ein komplexer Vorgang und sehr individuell. Forscherinnen und Forscher setzen sich seit langer Zeit intensiv mit dem Thema Schmerz auseinander. Dennoch gibt es immer noch viele Unklarheiten, vor allem auf dem Gebiet der Phantomschmerzen.
Die Weltschmerzorganisation IASP (International Association for the Study of Pain) hat Schmerzen wie folgt definiert: ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit einer tatsächlichen oder drohenden Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird. Schmerzen können in verschiedenen Kategorien unterteilt werden. Die grossen Hauptkategorien sind somatischer Schmerz und viszeraler Schmerz. Der viszerale Schmerz kommt aus den inneren Organen, ist dumpf und schwer zu lokalisieren. Der somatische Schmerz wird nochmals unterteilt in Oberflächen- und Tiefenschmerz. Tiefenschmerzen betreffen häufig Muskeln oder Knochen, äussern sich eher dumpf und strahlen aus. Oberflächliche Schmerzen hingegen betreffen häufig die Haut und beruhen auf Verletzungen oder Entzündungen. Diese sind gut lokalisierbar.
Die Schmerzrezeptoren, oder auch Nozizeptoren, sind der erste Schritt bei der Wahrnehmung des Schmerzes. Ihre Nervenenden liegen in der Haut, den Gelenken und in den Organen. Sie können mechanisch, thermisch oder chemisch aktiviert werden. Ist der Reiz stark genug, senden die Nozizeptoren durch Fasern die Signale weiter an das Rückenmark. Dabei können zwei verschiede Arten von Fasern unterschieden werden. Die schnellen A-Delta-Fasern übertragen den Reiz mit bis zu 120m/s. Typischerweise wird dieser Schmerz als genau lokalisierbarer Erstschmerz empfunden, der schnell abklingt. Im Rückenmark angekommen wird falls notwendig der sogenannte Reflexbogen aktiviert. Dieser sorgt zum Beispiel dafür, dass beim Anfassen einer heissen Herdplatte die Hand reflexartig weggezogen wird. Das Signal für das Zurückziehen der Hand wird direkt aus dem Rückenmark gesendet, noch bevor das Schmerzsignal das Gehirn erreicht. Durch die so gesparte Zeit wird die Verletzung minimiert. Die zweiten Fasen, die dünneren C-Fasern, übertragen den Schmerz mit 2m/s deutlich langsamer. Im Gegensatz zu den A-Delta-Fasern haben diese Fasern keine Myelin-Ummantelung. Dieser Schmerz äussert sich ungenauer, dumpfer und meist auch deutlich intensiver.
Vom Rückenmark gelangen die Schmerzreize über das Zwischenhirn zum Thalamus. Der Thalamus bewertet den Schmerz emotional hinsichtlich seiner Erträglichkeit. Dann verteilt er den Schmerz-Impuls an weitere Gehirnareale. Diese Gehirnregionen übernehmen verschiedene Aufgaben der Schmerzverarbeitung:
Die verschiedenen Bereiche des zentralen Nervensystems und des Gehirns koordinieren sich bezüglich der Schmerzweiterleitung mithilfe biochemischer Vorgänge. Der Schmerz des jeweiligen Körperteils wird im Gehirn produziert und auf die betroffenen Körperareale projiziert. Da viele Schmerzfasern jedoch miteinander verknüpft sind, kann dies zu einer Schmerzausstrahlung führen. Ein berühmtes Beispiel dafür ist der Herzinfarkt. Die Schmerzfasern des Herzens sind so verflochten, dass ein Schmerzimpuls aus dem Herzen bis in die Bauchgegend oder den linken Arm ausstrahlen kann.
Ein sehr spezieller Fall von Schmerzen sind die Phantomschmerzen. Hierbei handelt es sich um Schmerzen von Gliedmassen oder anderen Körperteilen, die nicht mehr vorhanden sind. Dies ist möglich, da Schmerzen im Gehirn entstehen. Die Ursache von Phantomschmerzen ist nicht genau erforscht. Früher ging man davon aus, dass sich die betroffenen Patienten die Schmerzen nur einbilden. Heute gibt es verschiedene Ansätze, die Ursachen der Phantomschmerzen zu erklären. Eine mögliche Ursache könnten Veränderungen im Gehirn sein, die nach einer Amputation zustande gekommen sind. Jedoch könnten auch Faktoren wie eine Nervenverletzung oder eine Verengung mancher Blutgefässe im amputierten Bereich zu Phantomschmerzen führen.
Eine der vielversprechendsten Behandlungsmöglichkeit bei dieser Art von Schmerzen ist die sogenannte Spiegeltherapie. Dabei wird ein Spiegel vor den Patienten gestellt und dieser bewegt die noch vorhandene Gliedmasse. Die so im Spiegel projizierte Reflexion gaukelt den Patienten vor, dass sich die nicht vorhandene Gliedmasse mitbewegt. Durch diese Scheinbewegungen werden im Gehirn die Areale aktiviert, die für das verlorene Körperteil verantwortlich waren. Diese Reaktivierung kann Phantomschmerzen lindern. Eine moderne Form der Spiegeltherapie ist die Nutzung von VR-Brillen (Virtual-Reality). Diese sind noch effektiver als die Spieltherapie und werden in Zukunft den Betroffenen noch besser helfen können, die Schmerzen zu lindern.
Student Humanmedizin
Medizinischer Content-Provider (MED4LIFE)