Heutzutage arbeiten 20% aller erwerbstätigen Schweizer in einem Schichtsystem. Schichtarbeit wird definiert als eine Arbeitsleistung zu wechselnden Tages- oder Nachtzeiten oder zu konstanten, jedoch ungewöhnlichen Arbeitszeiten abseits der Tagesarbeit. Zu diesen Berufen gehören beispielsweise Pflege, Polizei, Logistik, Transport und Verkauf. Grundsätzlich gilt Tagesarbeit als Arbeit zwischen 6 Uhr und 20 Uhr, Abendarbeit zwischen 20 Uhr und 23 Uhr, Nachtarbeit zwischen 23 Uhr und 6 Uhr. Es gibt permanente Schichtsysteme (Dauerfrühschicht, Dauerspätschicht, Dauernachtschicht), aber auch rotierende Systeme sind oft im Einsatz (siehe „Arbeiten in der Nacht und in Schicht“, 2018). Durch zahlreiche Studien, die in einer Literaturanalyse ausgewertet wurden, konnte belegt werden, dass Nacht- und Wechselschichten durch die Störung des Tag-Nacht-Rhythmus zu Schlafmangel und Schlafstörungen führen können. Dies kann verminderte physische und mentale Leistungsfähigkeit bis hin zu Erkrankungen zur Folge haben (siehe „Leitlinie ‚Gesundheitliche Aspekte und Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit‘“, 2021).

Auswirkungen auf den Schlaf

Die Schlafdauer ist bei rotierenden 3-Schichtsystemen (also Früh-, Spät-, und Nachtdienst) und Nachtschichten reduziert, bei Spätschichten wiederum erhöht. Insbesondere im schnell-rotierenden 3-Schichtsystem ist der Schlaf merklich reduziert. Die permanente Nacht- und Spätschicht scheint die Schlafdauer weniger zu beeinträchtigen. Das heisst, schnell-rotierende 2- beziehungsweise 3-Schichtsysteme reduzieren die Schlafmenge am meisten. Des Weiteren zeigte die Literaturanalyse („Leitlinie ‚Gesundheitliche Aspekte und Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit‘“, 2021), dass Ruhezeiten zwischen zwei Diensten unter 11 Stunden mit vermehrter Müdigkeit einhergehen. Hinsichtlich Schlafproblemen und Müdigkeit vertragen Männer Schichtarbeit besser als Frauen, jüngere Personen besser als Ältere, wobei Ältere mehr Probleme im Nachtdienst, Jüngere hingegen mehr Schwierigkeiten mit dem Frühdienst haben.

Fehler und Unfälle

Die Literaturanalyse zeigte auf, dass die Häufung von risikobehafteter Arbeitsgestaltung (lange Arbeitszeit, Nachtdienste, hohe Anzahl von aufeinanderfolgenden Nachtdiensten) zu einem Anstieg des Unfallrisikos beitragen. Es konnte jedoch nicht nachgewiesen werden, dass permanente Nachtschichtsysteme zu einer erhöhten Unfallhäufigkeit führen. Daraus ist zu entnehmen, dass nicht die Nachtarbeit an sich, sondern ein schnell-wechselndes Rotationssystem mit verminderter Konzentrationsfähigkeit und Fehlerhäufigkeit einhergeht, was wiederum zu Unfällen führen kann.

Herz-Kreislauferkrankungen

Schichtarbeit kann zu Schlafmangel, schlechter Schlafqualität und einer eingeschränkten Möglichkeit zur Erholung führen. Schichtarbeit ist mit ungünstigen Lebensstilveränderungen verbunden – dazu gehören schlechte Ernährungsgewohnheiten und Rauchen. Diese Faktoren begünstigen Entzündungen, Veränderungen in der Blutgerinnung und Blutdruckanstieg. Dadurch ist das Risiko für Herz- und Gefässerkrankungen erhöht.

Stoffwechselekrankungen

Die negativen Wirkungen von Schichtarbeit auf den Stoffwechsel beruhen auf den folgenden Faktoren: Nahrungsaufnahme zu einer Zeit, in der der Körper nicht auf Verdauung eingestellt ist, Schlafmangel und Störung des circadianen Rhythmus. Die Literaturanalyse deutete daraufhin, dass Schichtarbeit mit einem erhöhten Diabetes Typ II Risiko assoziiert ist. Ebenfalls ist das sogenannte metabolische Syndrom mit Schichtarbeit assoziiert. Dieses Syndrom beschreibt das Auftreten von den folgenden vier Veränderungen im Körper: hoher Blutzucker und damit einhergehende Insulinresistenz, stammbetonte Fettleibigkeit, erhöhte Blutfettwerte und hoher Blutdruck. Das metabolische Syndrom ist ein Risikofaktor für Herzinfarkte, Schlaganfälle und Diabetes. Bei den genannten Stoffwechselerkrankungen sollte Schichtarbeit, insbesondere Nachtschicht, kritisch überprüft werden.

Gastrointestinale Erkrankungen

Ebenfalls gibt es einen Zusammenhang zwischen Schichtarbeit und den folgenden Magen-Darm-Erkrankungen gibt: Magengeschwüre, funktionelle Darmerkrankungen wie Reizmagen und Reizdarm sowie Refluxkrankheit. Ferner gibt es laut der Studienanalyse Anhaltspunkte, dass das Risiko für Dickdarmkrebs bei einer Schichtarbeitstätigkeit über 15 Jahre erhöht ist. Die Frage, ob man zum Beispiel mit chronischer Darmerkrankung einer Schichttätigkeit nachgehen sollte, muss immer individuell erwägt werden und kann im Rahmen einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung evaluiert werden.

Neurologische Erkrankungen

Schichtarbeitende haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Migräne und Kopfschmerzen. Unregelmässiges Schlafverhalten und Schlafstörungen gelten als Triggerfaktor für Migräneanfälle und chronische Kopfschmerzen. Obwohl kein Zusammenhang zwischen Schichtarbeit und einem Auftreten von Epilepsie zu beobachten ist, sollte bei Personen mit Epilepsie sehr sorgfältig überlegt werden, ob Schichtarbeit in Frage kommt.

Psychische Erkrankungen

Es zeigt sich ein erhöhtes Risiko für Depressionen beziehungsweise depressiver Symptomatik in Zusammenhang mit Schichtarbeit. Zu depressiver Symptomatik gehören zum Beispiel Schlafstörungen, Antriebslosigkeit, Interessensverlust und eine gedrückte Stimmung. Wiederum gibt es den sogenannten „healthy worker effect“, das bedeutet, dass viele Beschäftigte auf die beginnende Beeinträchtigung ihrer psychischen Gesundheit mit dem Verlassen der Schichtarbeit reagieren. Erschöpfung, Erholungsbedürfnis sowie Schlafstörungen führen nämlich vermehrt zu einem Wechsel in reguläre Arbeitszeiten.

Krebserkrankungen

Aktuell kann man aus der Literatur nicht eindeutig beantworten, ob Schichtarbeit mit vermehrtem Auftreten von Krebserkrankungen einhergeht. Obwohl bis heute keine Kausalzusammenhänge zwischen Krebserkrankungen und Schichtarbeit gefunden wurden, gibt es Hinweise auf interne (genetische) und externe Faktoren (Lifestyle-Faktoren wie Rauchen, Essverhalten, Lichtexposition), welche das Krebsrisiko durch Schichtarbeit erhöhen.

Gibt es eine optimale Schichtplangestaltung?

Prinzipiell gilt, dass Schichtpläne sich möglichst nach den Bedürfnissen der Beschäftigten orientieren sollten, beispielsweise durch Wahlarbeitszeiten oder individualisierte Dienstpläne.  Es gelten zudem folgende Empfehlungen:

  • Bei aufeinanderfolgenden Schichten sollten maximal 3 Nachtschichten in Folge geplant werden.
  • Einzelne Arbeitstage zwischen freien Tagen sollten vermieden werden.
  • Vorwärtsrotationen (Früh – Spät – Nachtschicht) sind Rückwärtsrotationen vorzuziehen.
  • Der Frühschichtbeginn sollte nicht zu früh sein. Als zu früh gilt alles vor 6 Uhr, wobei auch regelmässige Schichten vor 8 Uhr den Körper beeinträchtigen. (Groll, 2013)
  • Innerhalb der Schicht sollte auf ausreichende Pausen geachtet werden, es sollten möglichst keine Überstunden anfallen.
  • Eine vollständige Erholung nach der Arbeit sollte möglich sein.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Schichtarbeit einen indirekten und direkten Einfluss auf die Gesundheit hat. Da Schichtarbeit in vielen Berufen unabdingbar ist, ist es umso wichtiger, die Schichtpläne nach den physischen, psychischen und sozialen Bedürfnissen der Beschäftigten zu gestalten.

Quellen

Arbeiten in der Nacht und in Schicht. (2018). SECO | Direktion für Arbeit | Arbeitsbedingungen.

Groll, T. (2013, Januar 31). Gegen den Biorhythmus und die Gesundheit. Die Zeit. https://www.zeit.de/karriere/beruf/2013-01/schichtarbeit-gesundheit-risiken?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F

Leitlinie „Gesundheitliche Aspekte und Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit“. (2021). Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. (DGAUM).

Dr. med. univ. Anemone Rutter

Dr. med. univ. Anemone Rutter

Assistenzärztin (MED4LIFE)