Das Gehör lässt sich relativ einfach schützen, dennoch gibt es nach wie vor viele arbeitsbezogene Erkrankungen des Gehörs. Dies kann verschiedene Ursachen haben. Die häufigsten sind subjektive Unterschätzung der schädigenden Wirkung von Lärm und ungenügende Aufklärungsarbeit. Daher soll dieser Artikel erklären, was bei übermässigem Lärm mit dem Gehör passiert, ab wann Schäden entstehen und wie man sich am besten davor schützt.
Ein Gehörschutz am Arbeitsplatz muss ab Schallpegeln von über 85 Dezibel getragen werden. Die Dezibelskala ist eine Referenzskala. Es wird also der vorherrschende Schalldruck gegen einen vorbestimmten Referenzschalldruck gemessen. Der Referenzschalldruck liegt bei 20 Mikropascal, was der absoluten Hörschwelle bei einer Frequenz von 1000 Hertz entspricht. Die hörbaren Frequenzen reichen von 20 Hertz bis 20‘000 Hertz. 85 Dezibel wird als Grenze gewählt, ab der ein Gehörschutz am Arbeitsplatz getragen werden muss, weil die Schadensgrenze bei etwa 90 Dezibel liegt. Die Schadensgrenze ist jedoch stark frequenzabhängig. Es gilt der folgende Grundsatz: Je höher die Frequenz eines Tones, desto kleiner seine Wellenlänge und desto höher der Ton. Bei sehr tiefen Tönen ist die Schadensgrenze höher als bei hohen Tönen und liegt bei etwa 110 Dezibel. Das heisst, dass hohe Töne vergleichsweise weniger laut sein müssen, um bereits Schaden anzurichten, als tiefe Töne.
Es gibt einen Unterschied zwischen der Schmerzgrenze und der Schadensgrenze. Die Schadensgrenze liegt deutlich unter der Schmerzgrenze. Dies führt dazu, dass unser Gehör schon lange einen Schaden davonträgt, wenn man anfängt, lärmbedingte Schmerzen zu empfinden. Hier schlägt der Schutzmechanismus des Schmerzes also gewissermassen fehl. Angenommen in einem zu lauten Nachtclub läuft die Musik beispielsweise bei 110 Dezibel, dann liegt die Dezibelzahl über der Schadens-, aber unter der Schmerzgrenze. Das heisst, dass die Musik zwar schädlich ist, jedoch von den Anwesenden kein Schmerz verspürt wird.
Wie wird das Gehör bei zu hohen Schalldruckpegeln beschädigt?
Die Hörschnecke (fachsprachlich Cochlea) überträgt die ankommenden Schallwellen mittels Haarzellen auf feine Nerven, welche das empfangene Signal zum Gehirn weiterleiten, wo es als Ton wahrgenommen wird. Die Haarzellen lassen sich in äussere und innere Haarzellen unterteilen. Bei zu hohem Schalldruck werden insbesondere die äusseren Haarzellen beschädigt. Das kann man sich wie ein mechanisches Zerbrechen der Haare auf diesen Zellen vorstellen – natürlich auf Mikroebene. Die äusseren Haarzellen sind dazu da, das Signal zu verstärken, wohingegen die inneren das Signal verarbeiten. Der Schaden geschieht also vor allem im Bereich der Signalverstärkung. Gesundheitliche Folgen von Lärmbelastung sind zum Beispiel Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Angstzustände, ein erhöhtes Herzinfarktrisiko oder Tinnitus. Für die Arbeitsmedizin ist es entsprechend wichtig, dass ein adäquater Gehörschutz am Arbeitsplatz getragen wird. Ohropax sind kein adäquater Gehörschutz am Arbeitsplatz.
Der arbeitsbedingte Schutz des Gehörs wurde lange Zeit vernachlässigt. Noch heute gibt es viele arbeitsbezogene Erkrankungen des Gehörs; genaue Zahlen sind leider nicht bekannt. Allerdings gibt es auch gute Neuigkeiten: Während im Jahr 1970 noch 35% der Arbeitnehmenden in lärmexponierten Branchen einen deutlichen Schaden des Gehörs bei der Arbeit erlitten, sind es heute nur noch 8% (Jost & Pletscher, 2013). Ausserdem sind die Schäden heute seltener auf den nicht vorhandenen Schutz und häufiger auf das Verhalten der Arbeitnehmenden zurückzuführen. Mit Verhalten ist hier gemeint, dass der Gehörschutz am Arbeitsplatz falsch eingesetzt oder getragen wird.
Ein weitverbreiteter Mythos besagt zudem, dass das Gehör erst bei längerfristigen zu lauten Geräuschen einen Schaden erleidet. Das ist jedoch falsch, denn kurze intensive Geräuscherlebnisse sind sogar eine häufige Ursache für arbeitsbezogene Erkrankungen des Gehörs. Als Beispiel für ein kurzes intensives Geräusch, das Erkrankungen hervorrufen kann, dient das Knalltrauma. Bei einem Knalltrauma liegt der Schalldruckpegel im Millisekundenbereich über 160 Dezibel.
Zum Abschluss soll betont werden, dass Sie als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer jederzeit das Recht auf einen angemessenen Gehörschutz am Arbeitsplatz haben. Wenn Sie den Verdacht hegen, dass ein Missstand bezüglich des Gehörschutzes vorliegt, so sollten Sie dies Ihrer Vorgesetzten oder Ihrem Vorgesetzten unverzüglich melden. Mögliche Massnahmen zum Schutz des Gehörs bei der Arbeit sind Dezibelmessungen sowie das Tragen eines Gehörschutzes. Auch wenn viele greifende Massnahmen existieren, gibt es auch heute noch eine leider weitverbreitete Kultur der Vernachlässigung bezüglich Gehörschutz am Arbeitsplatz. Dieser kann jedoch jede und jeder Einzelne (ob Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer oder Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber) durch das eigene Verhalten entgegenwirken.
Quelle
Dr. med Jost Marcel und Dr. med. Pletscher Claudia (2013). https://www.ressourcenplus.ch/wp-content/factsheet-berufskrankheiten_suva.pdf Zuletzt am 31.08.2022 um 18:30
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Die Lehre stellt für viele die erste Arbeitserfahrung dar und hat daher für die meisten Lernenden einen sehr hohen Stellenwert. Darüber hinaus bildet sie oftmals einen entscheidenden Pfeiler für die spätere Karriere. Im Vergleich zu früher wird dies allerdings dadurch relativiert, dass es heutzutage zahlreiche Umschulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten gibt. Dieser Artikel soll aufzeigen, wie die jugendliche Person in der Lehre arbeitsmedizinisch gesehen gesund bleibt. Ich möchte dabei den Fokus aber nicht unbedingt auf die klassisch medizinischen Aspekte legen, denn die Anforderungen an die physische Arbeitssicherheit sind über die Berufsgruppen hinweg sehr unterschiedlich. So muss beispielsweise ein Pfleger oder eine Pflegerin für die Gefahren von Spritzen sensibilisiert werden, kann dafür aber in der Regel nichts mit Stahlkappenschuhen anfangen, welche jedoch in Produktionsstätten oft Pflicht sind. Daher möchte ich mich nicht auf spezifische Guidelines in den jeweiligen Berufsgruppen konzentrieren, sondern die Lernenden ganzheitlich betrachten.
Ganzheitlich betrachten bedeutet, dass nicht nur physische, sondern auch psychische und soziale Faktoren berücksichtigt werden sollen. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass sich Personen in der Lehre in einem psychisch oft schwierigen Lebensabschnitt befinden; nämlich der Pubertät. Vorab möchte ich jedoch auf einen Punkt, der physische Sicherheitsvorkehrungen betrifft, spezifisch eingehen. Das erstmalige Vermitteln von arbeitsmedizinisch relevanten Sicherheitsmassnahmen ist für Lernende extrem wichtig! Denn wenn man etwas einmal falsch gelernt hat, ist es schwierig, dies umzulernen. Ein bewährtes Konzept besagt, dass die Sicherheitsmassnahmen am besten verstanden und umgesetzt werden, wenn sie dreistufig vermittelt werden. In der Folge werden die drei Stufen dargestellt:
Stufe 1 | Erklären Sie dem/der Lernenden theoretisch und in einer neutralen Umgebung (z.B. Büro), was die besagte Sicherheitsmassnahme umfasst, deren Zweck und auch die Gefahr bei Nicht-Einhaltung. |
Stufe 2 | Erklären Sie die Sicherheitsmassnahme am unmittelbaren Ort der Gefahr praxisbezogen. |
Stufe 3 | Lassen Sie sich die Sicherheitsmassnahme von der lernenden Person erklären und lassen Sie sich auch erklären, weshalb die besprochene Massnahme sinnvoll ist. Der Grund für die Massnahme soll hier nicht vernachlässigt werden. |
Dieses dreistufige Modell hat mehrere Vorteile. Zum Ersten wird die Erklärung theoretisch und praktisch vermittelt. Zum Zweiten hat die lernende Person die Möglichkeit, die Massnahme selbst wiederzugeben und zu zeigen, ob die Massnahme vollständig verstanden wurde. Stufe drei bringt des Weiteren den Vorteil, dass Sie als Vorgesetzte oder Vorgesetzter überprüfen können, ob die Massnahme korrekt verstanden wurde, und können bei allfälligen Fehlern intervenieren. Es ist wichtig hervorzustreichen, dass arbeitsmedizinischen Massnahmen konsequenter umgesetzt werden, wenn die Sinnhaftigkeit bekannt ist.
Die psychische Begleitung erfordert während der Lehre andere Methoden als im Berufsleben von Erwachsenen. Bei Erwachsenen ist das Burnout das zentralste psychische Problem. Dies kommt bei Lernenden kaum vor, einerseits aufgrund des Alters, andererseits aufgrund des etwas geschützteren Rahmens durch die Ausbildung. Die Verantwortung und der Leistungsdruck sind während der Lehre im Vergleich zu späteren Karrierestufen in aller Regel nicht sehr hoch. Während der Lehre muss jedoch die Pubertät sehr stark berücksichtigt werden, wenn man die Psyche betreffende arbeitsmedizinische Massnahmen gezielt umsetzen möchte. Dabei ist vor allem eine enge Kommunikation mit regelmässigem Feedback vonseiten des Arbeitgebers sehr wichtig. Das Feedback hilft dabei, der während der Pubertät weitverbreiteten Orientierungslosigkeit zumindest in der Arbeitswelt entgegenzuwirken. Dabei profitieren Lernende enorm davon, wenn sie nach ihrem Wohlbefinden in der Lehre gefragt werden und dadurch ihre Psyche mit einbezogen wird. Ein isoliertes, rein fachliches Feedback kann auf die Lernenden dagegen sehr einseitig wirken.
Abschliessend kann man also zusammenfassen, dass das Vermitteln von Sicherheitsmassnahmen bei Lernenden einen sehr hohen Stellenwert haben muss. Dazu eignet sich das dreistufige Modell. Um die Lernenden psychisch optimal begleiten zu können, ist vor allem eine rege Kommunikation unter Einbezug der Lernenden sehr wichtig. Die Kommunikation darf, und das geschieht in der Lehre leider oftmals, keine Einbahnstrasse sein.
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