Unser Leben ist eine Reise durch verschiedenartigste Herausforderungen auf allen erdenklichen Niveaus. Schon die Geburt stellt das menschliche Wesen vor schier unüberwindbare Hürden. Zu diesem Zeitpunkt und auch ein paar Jahre in der Folge bewältigt das menschliche Kind immense Aufgaben, angefangen beim Start in eine kalte, grelle Welt, hungrig und frierend, nachdem es die allumfassende Wärme und Geborgenheit des mütterlichen Körpers verlassen musste. Unbewusst und intuitiv nimmt das Kleinkind die ersten Jahre in Angriff, in denen es die Wahrnehmung der Dinge, das Sprechen, das Kriechen, Aufrichten und Gehen und vieles mehr erlernt. Später tritt zu den instinktiven Prozessen die bewusste Handlung (Aktion und Reaktion) hinzu. Dabei ist immer entscheidend, wie ein Mensch mit der anstehenden Herausforderung umgeht. Was habe ich zur Verfügung, um eine Situation zu bewältigen? Auf welche Ressourcen kann ich zurückgreifen? Was oder wer hat mich geprägt, sodass ich gelernte Methoden anwenden kann? Was bringe ich als individueller Mensch an angeborenen und erworbenen Strategien mit? Was sind meine Talente und Fähigkeiten, angemessen und dienlich zu reagieren?

All diese Fragen beziehen sich auf die Resilienz. Resilienz ist Widerstandsfähigkeit, innere Stärke, die Haltung von Mut und Klarheit, im Falle von Niederlage, Unglück, Krisen, Stress und Belastungen einen Weg zu finden, diese zu überwinden und zu bewältigen. Resilienz ist bei jedem Menschen vorhanden, aber je nach Prägung, Erfahrung und Persönlichkeit unterschiedlich. Resilienz ist etwas, was jeder Mensch schon mitbringt, aber was jeder Mensch in seinem Entwicklungsprozess und je nach Bewusstsein dafür auch aktiv kultivieren kann. Damit sind wir nicht auf Gedeih und Verderben unseren Genen, unseren Familienverhältnissen oder unserem schlechten Start auf Erden ausgeliefert, sondern haben immer die Möglichkeit, an unserem Schicksal und den damit verbunden Bewältigungsstrategien zu arbeiten. Jedes Unglück birgt das Potential, daran zu zerbrechen oder daran zu wachsen. Es ist aber notwendig, dass uns entsprechende Menschen in den entscheidenden Momenten begegnen. Oder aber, dass auch Menschen in unserem Umfeld sind und waren, die uns vorausgingen und anhand ihres eigenen Schicksals zeigten, wie man eine Krise angehen könnte.

Die Eltern haben meines Erachtens eine zentrale Rolle in der Entwicklung der Resilienz eines Kindes. Einerseits sind sie Vorbilder, denn die Kinder beobachten, wie sie Stresssituationen begegnen, andererseits haben sie die heikle und anspruchsvolle Aufgabe, das Kind in seinen Fähigkeiten und Talenten zu erkennen und zu fördern, es nicht zu sehr einzuschränken und dennoch weise zu führen. So entsteht eine Basis, auf der das Kind aufbaut. Wie gut Eltern dieser Aufgabe gerecht werden, hängt davon ab, wie gut sie selber in ihrer Kindheit angeleitet wurden und wie authentisch sie sich entwickeln durften – wie stabil also ihre eigene Basis und somit ihre Resilienz ist. Je älter ein Kind wird, desto wichtiger werden auch andere Menschen, die es begleiten und beeinflussen. Dadurch ergeben sich wiederum Möglichkeiten, Bewältigungsstrategien zu erlernen oder zu aktivieren. In einer Krise gibt es unzählige Vorgehensweisen. Niemand muss damit alleine bleiben. Tatsächlich ist es oft eine sehr gute Idee, sich Hilfe zu holen. Indem ich eine Krise durchlebe und Hilfe erfahre, erhöhe ich meine Resilienz und bin für eine nächste Krise schon besser gewappnet – nicht zuletzt weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass es einen Ausweg gibt. So durchlaufen wir in unserem Leben unendlich viele kleine und grosse Herausforderungen und wachsen daran, obwohl wir dies meistens erst in der Rückschau erkennen.

Tritt eine Belastung auf, gehe ich in mich und überprüfe, was für Strategien, welches Wissen und welche meiner Fähigkeiten mir zur Verfügung stehen, dieses Problem zu meistern. Danach überlege ich mir, welche Hilfe ich in Anspruch nehmen kann, um meine Resilienz zu potenzieren. Am Anfang steht meistens ein Gespräch mit einem Menschen, dem ich vertraue und dessen Meinung meine Anschauungen ergänzt und nährt. Aus diesem Gespräch nehme ich Anregungen mit auf den Weg, mit denen ich in Resonanz getreten bin. Indem ich diese Anregungen überprüfe und aktiv angehe, erhöhe ich wiederum meine Resilienz. So bewege ich mich in meinem Prozess Schritt für Schritt vorwärts und durch die Krise hindurch. Die Resilienz ist eine Gabe, eine Fähigkeit, die sich wandelt, die wächst und sich verändert. Je bewusster ich meine Widerstandsfähigkeit trainiere, desto stabiler werde ich, desto vertrauensvoller schaue ich in die Zukunft, da ich – nun aus Erfahrung – weiss, dass ich die Krisen meistern werde.

Resilienz Test

…und die 7 Säulen der Resilienz: Selbstbewusstsein, Optimismus, Realismus, Gefühlsstabilität, Analysestärke, Kontaktfreude und Handlungskontrolle:

  • Ich glaube, mein Schicksal selbst in der Hand zu haben (Selbstbewusstsein).
  • Ich komme über Hindernisse hinweg, egal wie groß diese sind (Optimismus).
  • Ich kann auch das Negative in meinem Leben akzeptieren (Realismus).
  • Trotz Misserfolge halte ich mich für einen wertvollen Menschen (Gefühlsstabilität).
  • Ich habe ein klares Ziel für mein Leben vor Augen (Analysestärke).
  • Ich habe einen starken Glauben an die eigenen Fähigkeiten (Selbstbewusstsein).
  • Ich habe gute Freunde, auf die ich mich verlassen kann (Kontaktfreude).
  • Wenn mal etwas nicht klappt, versuche ich es einfach noch einmal (Optimismus).
  • Jeder ist seines Glückes Schmied, das ist mein Lebensmotto (Handlungskontrolle).
  • Ich weiß um meine Stärken und bin stolz darauf (Selbstbewusstsein).
  • Ich bin unter Stress leistungsfähig und kann gut mit Druck umgehen (Handlungskontrolle).
  • Ich glaube selbst in der Krise daran, dass sich alles zum Guten wenden wird (Realismus, Optimismus).
  • Bei Problemen suche ich aktiv nach einer Lösung – und finde sie auch (Analysestärke, Handlungskontrolle).

Je mehr der Aussagen mit ja beantwortet werden können, desto resilienter ist ein Mensch. (Jochen Mai, https://karrierebibel.de/resilienz/)

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Dipl. med. Andrea Bieler Bühler

Leiterin Komplementärmedizin (MED4LIFE)