Wie funktioniert medizinische Forschung?

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Durch die Coronapandemie ist die medizinische Forschung vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Dabei wurden häufig Forschungsstadien erwähnt, oft wurde der genaue Prozess jedoch nicht oder nur spärlich beschrieben. Dieser Artikel soll Aufschluss darüber geben, was zwischen der Idee einer neuen Therapie oder eines neuen Medikaments und der breiten klinischen Anwendung alles geschieht und worauf geachtet werden muss. Bei der Entwicklung eines neuen Wirkstoffs gibt es strikte Phasen, die genau definiert sind und strengstens eingehalten werden müssen. Daneben gibt es verschiedene Zulassungsprüfungen. Zwei der Zulassungsprüfungen sind besonders wichtig. Die erste findet beim Übergang von Tierversuchen zu klinischen Forschungsphasen, bei denen Patienten einbezogen werden, statt. Die zweite betrifft die finale Zulassung. Wenn die finale Zulassungsprüfung erfolgreich war (diese Prüfung wird in der Schweiz von Swissmedic durchgeführt) darf das Medikament vermarktet werden.

Bei der medizinischen Forschung ist die Evidenz unabdingbar. Medizinische Forschung ist im Prinzip also das Nachweisen von Wirksamkeit. Hierbei gibt es für die Forschenden einen kleinen aber feinen Unterschied: Sie weisen nach, aber beweisen nicht. Man kann es als Wortspielerei auffassen, der Unterschied liegt jedoch darin, dass ein Nachweis im Gegensatz zum Beweis mehr Spielraum lässt für individuelle Abweichungen. Die evidenzbasierte Medizin ist nicht nur essentiell für Zulassungen, auch unser Krankenkassensystem funktioniert über evidenzbasierte Medizin, wenn es darum geht, was finanziert wird und was nicht. Die Wirksamkeit eines Stoffes muss mit Zahlen belegt werden können und es muss belegt werden können, dass die Wirksamkeit höher ist als bei einem bereits etablierten ähnlichen Stoff. Man braucht also immer einen Vergleichswert. Oftmals wird als Kontrolle auch eine Placebogruppe verwendet anstelle eines bereits etablierten Wirkstoffs. Doch wie sieht nun der Ablauf einer solchen Studie aus, die beispielsweise ein neues Medikament auf den Markt bringen will? Ganz grundsätzlich werden bei der Erforschung drei Ziele verfolgt: Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität. Das sind auch die Kernfragen bei Zulassungsprüfungen und diese drei Schlagworte sind gesetzlich verankert.

Die zeitliche Abfolge besagt, dass zuerst eine präklinische Testung erfolgt, bei der vor allem Tierversuche und das Untersuchen von Zellkulturen im Labor im Zentrum der Forschung stehen. Die klinischen Studien werden dann in verschiedene Phasen unterteilt. In der Regel werden vier Phasen unterschieden. Sowohl die Dauer als auch die Anzahl der Testpersonen nimmt mit jeder Phase zu! Die erste Phase dient dazu, die Verträglichkeit und Sicherheit des Medikaments zu prüfen. Dabei macht es natürlich Sinn, nur wenige Testpersonen einzubeziehen. Zudem müssen diese Testpersonen gesund sein. Das sind also nicht Personen, die an der Erkrankung leiden, auf die das Medikament abzielt. In der zweiten Phase werden Optimierungen bezüglich des Therapiekonzepts, der Verabreichungsform und der Dosis untersucht. Da ist die Sicherheit schon gewährleistet, weil die klinische Forschung niemals in eine nächste Phase übergehen kann, wenn die davorliegende  Phase nicht alle Kriterien erfüllt.  Bei Untersuchungen in der zweiten Phase steht also die Wirksamkeit als eines der drei Basisziele im Fokus.

Studien der Phase 3 sind die klassischen Zulassungsstudien, bei denen es um einen Wirkungsnachweis geht, ohne die anderen zwei Basisziele zu vernachlässigen. In dieser Studienphase werden bei gross angelegten Studien bereits bis zu 10‘000 Testpersonen einbezogen und es können mehrere Jahre dafür beansprucht werden. Nach erfolgreich bestandener dritter Phase ist das Medikament zugelassen. Man könnte meinen, dass die Forschung somit vorbei ist – dem ist jedoch nicht so. Die vierte und letzte Phase, die einzige „post-Zulassungsphase“ dient der Anwendungsbeobachtung. Dabei geht es darum, wie sich das neue Medikament im Spital-/Praxisalltag etabliert oder auch wie der Umgang und die Expertise vonseiten des Fachpersonals aussieht. Zudem dient diese Phase zu einem grossen Teil auch dem Marketing dieses neu zugelassenen Medikaments.

In der Regel werden in der klinischen Testung unter den Studienteilnehmer*innen zwei Gruppen gebildet. Die eine Gruppe erhält das neue Medikament und die zweite Gruppe erhält ein bereits existierendes vergleichbares Medikament (aktiv kontrolliert) oder ein Placebo (placebokontrolliert). Ein Placebo ist ein nicht wirksames Präparat, das vom zu untersuchenden Medikament nicht unterschieden werden kann und den Teilnehmenden der einen Gruppe verabreicht wird. Hierbei ist entscheidend, dass die Studienteilnehmenden nicht wissen, in welcher Gruppe sie sich befinden! Auch die durchführenden Personen wissen in der Regel nicht, welche der beiden Optionen sie verabreichen. Das nennt man eine „doppelte Verblindung“. Der Patient/Teilnehmende weiss also nicht, zu welcher Gruppe er gehört und die forschende Person auch nicht. Ein zweites wichtiges und sehr ähnliches Prinzip ist die Randomisierung. Die Randomisierung beschreibt das zufällige Bilden der beiden Studiengruppen. Durch Zufall wird bei genügend grosser Zahl an Teilnehmenden die maximale Vergleichbarkeit zwischen den Gruppen gewährleistet.

Zum Abschluss möchte ich noch eine sehr grosse Frage der medizinischen Forschung aufgreifen nämlich die Kosten. Die Finanzierung geschieht oftmals durch grosse Pharmafirmen. Dabei ist es leider so, dass oftmals die Kosten der limitierende Faktor sind und nicht das technische oder geistige Wissen der Forscher. Ein sehr faszinierendes Beispiel dafür, wie zentral die Kosten in der medizinischen Forschung sind, ist in der Kontrazeption zu finden. Was ist der Grund, dass es bis heute keine Pille für den Mann gibt? Die biologischen Grundlagen dafür zu erforschen wäre keine unlösbare Aufgabe und auch die klinischen Studienphasen wären gut umsetzbar. Das Problem ist vielmehr das Geld. Wieso sollte ein Pharmariese Geld in die Forschung eines Präparats investieren, wenn er bereits immense Summen einnimmt durch die herkömmliche Anti-Baby-Pille für die Frau. Er wäre zwei Risiken ausgesetzt: Erstens hat er keine Garantie dafür, dass die Forschung zum gewünschten Ergebnis kommt. Zweitens würde es bei einem Studienerfolg automatisch zu einem Umsatzverlust bei der Pille für die Frau kommen. Das soll als Beispiel dafür dienen, dass die medizinische Forschung sehr oft kosten- und nicht wirklich patientenzentriert ist.

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Jil Toman

Student Humanmedizin
Medizinischer Content-Provider (MED4LIFE)

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