Schwanger und arbeitstätig – wo liegt das Problem?
Sowohl bei werdenden Müttern als auch Müttern von jungen Kindern gibt es wichtige arbeitsmedizinische Fragen und Unklarheiten. Diese Fragen sollen im Rahmen dieses Artikels aufgeklärt werden mit besonderem Fokus auf dem Schutz von Schwangeren am Arbeitsplatz. Als einfacher Grundsatz gilt, dass die Arbeitsbedingungen nicht nur die Gesundheit der (werdenden) Mutter, sondern auch des Kindes nicht beeinträchtigen dürfen.
Werdende Mütter sind in gewissen Branchen gesundheitlichen Risikofaktoren ausgesetzt, welche nicht nur für die Mutter, sondern vor allem auch für den Fötus sehr gefährlich sein können. Hier sind insbesondere physikalische Einflüsse wie Hitze oder ionisierende Strahlung, aber auch Chemikalien hervorzuheben. Diese Risikofaktoren beschränken sich dabei bei Weitem nicht nur auf Laborantinnen oder ähnliche Berufsgruppen. Beispielsweise ist ionisierende Strahlung bei vielen Medizinalberufen ein Risikofaktor (Röntgen beim Zahnarzt, CT überwachen etc.), welcher zwingend gemieden werden muss. Die ionisierende Strahlung hat eine teratogene Wirkung und erhöht das Risiko von Missbildungen. Das liegt daran, dass ionisierende Strahlung Mutationen im Erbgut erzeugt.
Warum ist die frühe Kommunikation mit der Arbeitgeberin und der besondere Schutz in den ersten 8 Wochen wichtig?
Um die Massnahmen zum Schutz von Schwangeren am Arbeitsplatz bereits im Vorfeld treffen zu können, benötigt es eine gelungene Kommunikation zwischen der Arbeitgeberin und der werdenden Mutter. Optimalerweise wird jede Frau beim Stellenantritt über mögliche arbeitsplatzbezogene Risiken im Rahmen einer Schwangerschaft aufgeklärt. Dies sensibilisiert alle im Betrieb tätigen Frauen und erleichtert die Kommunikation für werdende Mütter. Die werdende Mutter ist gesetzlich nicht verpflichtet, den Kinderwunsch oder die Schwangerschaft der Arbeitgeberin mitzuteilen. Dennoch ist es im Eigeninteresse der werdenden Mutter, die Schwangerschaft so früh wie möglich zu kommunizieren, um die Massnahmen optimal einleiten zu können (bei ungeplanten und/oder unbemerkten Schwangerschaften ist dies natürlich nicht möglich).
Der Grund dafür, weshalb die Massnahmen zum optimalen Schutz von Schwangeren am Arbeitsplatz bereits im Vorfeld einer Schwangerschaft getroffen werden sollten, ist, dass die ersten 8 Wochen (= die Embryogenese) im Hinblick auf schädliche Auswirkungen für das heranwachsende Kind die gefährlichste Phase bilden. Das liegt daran, dass in diesen 8 Wochen die gesamte Organanlage geschieht und danach primär das Wachstum dieser Organanlagen erfolgt. Das Wachstum ist biologisch deutlich weniger komplex als die Anlage der Organe, weshalb Schädigungen nach den ersten 8 Wochen in der Regel weniger gravierend für das Kind sind. In dieser ersten Zeit müssen arbeitsmedizinischen Risikofaktoren also eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Wann wird welches Pensum empfohlen und wie lauten die gesetzlichen Vorschriften?
Vor der Geburt gibt es verschiedene Empfehlungen für den Schutz von Schwangeren am Arbeitsplatz, aber auch einige gesetzliche Vorschriften. Leider werden Schwangere ungenügend über diese Vorschriften aufgeklärt und die Vorschriften werden oftmals nicht eingehalten. Hierbei ist besonders wichtig, dass Schwangere arbeitsmedizinisch besondere Rechte besitzen, welche sie zwingend einfordern sollten.
Schwangere werden in der Regel drei Wochen vor dem Geburtstermin krankgeschrieben. Oftmals sind die Beschwerden jedoch schon früher sehr gross, weshalb eine (partielle) Krankschreibung empfohlen ist, sobald Beschwerden auftreten, welche die Arbeitsfähigkeit signifikant beeinflussen! Ein häufig angewandtes Modell zum Schutz von Schwangeren am Arbeitsplatz besagt, dass das Pensum nach dem 6. Schwangerschaftsmonat halbiert werden sollte (partielle Krankschreibung) und drei Wochen vor der Schwangerschaft eine 100% Krankschreibung erfolgen soll. Es folgt eine Auflistung mit den wichtigsten gesetzlichen Vorschriften, welche für alle Schwangeren gelten (UNIA, 2020):
- Schwangere Frauen dürfen nicht länger als 9 Stunden pro Tag arbeiten
- Schwangere Frauen haben ab dem 4. Monat das Anrecht auf eine zusätzliche bezahlte Pause von 10 Minuten alle zwei Stunden.
- Schwangere dürfen ab dem 6. Monat nicht länger als 4 Stunden pro Tag einer stehenden Tätigkeit nachgehen! Der Arbeitgeber ist dabei verpflichtet, für das restliche Pensum eine adäquate Arbeit bereitzustellen. Ist dies nicht möglich, muss die werdende Mutter für diese Zeit freigestellt werden. Sie erhält weiterhin 80% des Lohns für diesen Zeitraum.
- Schwangere Frauen dürfen ab 8 Wochen vor dem Geburtstermin keine Nachtarbeit (20:00 – 06:00) mehr leisten
- Jegliche Arbeit ist in den ersten 8 Wochen nach der Geburt verboten, selbst wenn die Mutter dies will. Der Mutterschaftsurlaub beträgt 14 Wochen. Entscheidet sich die Mutter, früher zu arbeiten, verfällt der Anspruch auf den bezahlten Mutterschaftsurlaub mit dem ersten Arbeitstag nach der Geburt.
- Schwangere stehen während der gesamten Schwangerschaft und bis 16 Wochen nach Geburt des Kindes unter Kündigungsschutz. Von einer Kündigung vor der Geburt ist abzuraten, weil so der Anspruch auf Mutterschaftsurlaub verfällt. Auch Mütter, die nach der Geburt für eine unbestimmte Zeit nicht mehr arbeiten möchten, sollen erst nach dem Mutterschaftsurlaub kündigen.
- Ist das eigene Kind krank, so ist der Arbeitgebende nach Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses verpflichtet, die Mutter und/oder den Vater bis zu drei Tage am Stück (bei voller Lohnzahlung, wie wenn die Person selbst krank wäre) für die Betreuung des Kindes freizustellen.
Bei weitergehenden Fragen und für arbeitsmedizinische Beratung zu diesem Thema, wenden Sie sich gerne an die ARBEITSMED: https://arbeitsmed.ch/mutterschutz/.
Quellen
UNIA. (2020). Erwerbstätig und Mutter – was ich wissen muss. https://www.unia.ch/fileadmin/user_upload/Arbeitswelt-A-Z/Familie-Beruf/2020-Broschuere_Mutterschaft_dt.pdf (zuletzt am 27.04.2023 um 14:00)
Jil Toman
Student Humanmedizin
Medizinischer Content-Provider (MED4LIFE)