Essstörungen sind häufige Erkrankungen im Erwachsenenalter, die aber meist bereits im Jugendalter beginnen. Drei häufige Essstörungen sind die Anorexia nervosa (Magersucht), die Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht) und die Binge-Eating-Störung (Ess-Sucht). Diese drei Essstörungen treten nicht immer isoliert auf, sondern zeigen sich häufig als Mischformen oder können im Verlaufe der Erkrankung auch ineinander übergehen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass die Betroffenen einen gestörten Bezug zum eigenen Körper und zum Essverhalten aufweisen. Das daraus resultierende Unter- oder Übergewicht kann gesundheitsschädigende Folgen haben.

Die Ursachen für Essstörungen sind sehr vielfältig. Persönliche, soziale, gesellschaftliche, familiäre oder biologische Faktoren können die Essstörung begünstigen oder verursachen. Die Betroffenen weisen auch häufig ein verzerrtes Schönheitsideal auf, was zu einer ständigen Beschäftigung mit ihrem Essverhalten führen kann. Die Essstörung entwickelt sich häufig schleichend und anfangs unbemerkt. Bei einer Essstörung handelt es sich deshalb um eine ernstzunehmende schwere psychische Erkrankung, die einer professionelle Behandlung und Therapie bedarf. In den meisten Fällen ist nicht nur eine medizinische, sondern auch eine psychologische Betreuung vonnöten.

Die wahrscheinlich bekannteste Essstörung ist die Anorexia nervosa (umgangssprachlich Magersucht). Bei dieser Essstörung steht der Schlankheitswahn, die Angst vor einer Gewichtszunahme und ein verzerrtes Körperbild im Vordergrund. Aufgrund dessen schränken die Betroffenen die Nahrungsaufnahme stark ein und treiben exzessiv Sport, was zu einem Gewichtsverlust führt. Die Anorexia nervosa beginnt meist im Jugendalter und betrifft häufiger Mädchen als Jungen. Personen, die an einer Anorexia nervosa erkranken, zeigen oft zwanghafte und perfektionistische Charakterzüge.

Die Ursachen der Anorexia nervosa sind nicht endgültig geklärt, aber genetische sowie soziale, also umweltbedingte Faktoren haben klar einen Einfluss. Auch Personen mit psychischen Belastungsfaktoren weisen eine Prädisposition für diese Erkrankung auf. Bei einem BMI < 17 kg/m² wird in der Medizin von einer Anorexia nervosa gesprochen. Ohne Behandlung sterben etwa 10% der Betroffenen an dieser Essstörung. Insgesamt kann die Mangelernährung zu erheblichen gesundheitlichen Problemen führen. Die Betroffenen können einen Verlust der Knochendichte, Dehydrierung oder sogar Herzrhythmusstörungen erleiden. Die Behandlung setzt sich aus langfristiger Psychotherapie und regelmässigen ärztlichen Untersuchungen zusammen. Ausserdem müssen Massnahmen ergriffen werden, durch die die Kalorien- und Nährstoffzufuhr gewährleistet werden kann; wie zum Beispiel eine stationäre Aufnahme ins Krankenhaus.

Eine ebenfalls bekannte Essstörung ist die Bulimia nervosa (umgangssprachlich Bulimie). Hierbei handelt es sich um eine Essstörung, bei der in kurzer Zeit grosse Mengen an Nahrungsmitteln verzehrt werden und anschliessend Gegenmassnahmen wie Erbrechen, Abführen oder exzessiver Sport angewandt werden. Aufgrund der durchgeführten Gegenmassnahmen sind die Betroffenen häufig normalgewichtig. Von der Bulimia nervosa sind hauptsächlich Jugendliche und junge Erwachsene betroffen. Auch hier sind häufiger Mädchen als Jungen betroffen. Personen, die an einer Bulimia nervosa erkranken, zeigen eher impulsive und depressive Charakterzüge. Die Betroffenen erleiden wiederholte Episoden von Essattacken, bei denen sie ein Gefühl des Kontrollverlustes erleben. Häufig greifen sie zu fettreicher und zuckerreicher Nahrung. Die Nahrungsmenge der Essattacke variiert je nach Person, kann aber mehrere tausend Kalorien betragen. Nach der Essattacke versuchen die Betroffenen, diese übermässige Kalorienzufuhr wieder auszugleichen, in den meisten Fällen durch selbstinduziertes Erbrechen.

Um die Diagnose dieser Essstörung zu stellen, müssen die Betroffenen in den letzten drei Monaten mindestens einmal pro Woche eine Essattacke gehabt, währenddessen einen Kontrollverlust gefühlt und nach den Essattacken eine Gegenmassnahme ergriffen haben. Die Behandlung der Bulimia nervosa setzt sich aus langfristiger kognitiver Verhaltenstherapie und einem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (eine Form von Antidepressivum) zusammen. Der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer kann die Anzahl der Essattacken und dadurch auch des Erbrechens senken.

Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT, auf Englisch «cognitive behavioral therapy») kann bei beinahe allen psychischen Störungen und psychischen Begleiterscheinungen von körperlichen Erkrankungen genutzt werden. Die KVT wird aber besonders häufig bei Panik-, Angststörungen und Zwangserkrankungen eingesetzt. In der KVT entwickelt die Therapeutin bzw. der Therapeut mit der Patientin oder dem Patienten zusammen alternative Gedanken oder Verhaltensweisen für induzierende Ereignisse. Diese Bewältigungsstrategien sollen dann im Alltag wiederholt geübt und integriert werden. Die KVT zielt darauf ab, die Selbstständigkeit der Patienten und Patientinnen zu steigern und deren Gefühle zu regulieren.

Eine etwas unbekanntere Essstörung ist die Binge-Eating-Störung. Diese Erkrankung zeichnet sich ebenfalls durch Essattacken mit einem einhergehenden Kontrollverlust aus, allerdings werden hierbei keine Gegenmassnahmen ergriffen. Aufgrund der fehlenden Gegenmassnahmen sind die meisten Betroffenen übergewichtig oder leiden an Adipositas (krankhafte Fettleibigkeit). Von dieser Essstörung sind erwachsene Frauen und Männer beinahe gleichhäufig betroffen. Die Betroffenen zeigen während einer Esssattacke ein ähnliches Verhalten, wie Personen mit Bulimia nervosa. Sie essen sehr grosse Nahrungsmengen, bis ein unangenehmes Völlegefühl erreicht wird, und verspüren nach den Essattacken häufig Schuldgefühle, Ekel oder Depressionen. Um die Diagnose zu stellen, müssen Betroffene in den letzten drei Monaten mindestens einmal pro Woche eine Essattacke gehabt haben und währenddessen einen Kontrollverlust wahrgenommen haben. Die Behandlung der Binge-Eating-Störung erfolgt durch kognitive Verhaltenstherapie, selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (eine Form von Antidepressivum) und Medikamente zur Gewichtsabnahme oder Appetitzügler.

Quellen

Attia E., Walsh B. T. Anorexia nervosa. Msdmanuals.com. Anorexia nervosa – Psychische Gesundheitsstörungen – MSD Manual Ausgabe für Patienten (msdmanuals.com)

Attia E., Walsh B. T. Bing-Eating-Störung. Msdmanuals.com. Binge-Eating-Störung – Psychische Gesundheitsstörungen – MSD Manual Ausgabe für Patienten (msdmanuals.com)

Attia E., Walsh B. T. Bulimia nervosa. Msdmanuals.com. Bulimia nervosa – Psychische Gesundheitsstörungen – MSD Manual Ausgabe für Patienten (msdmanuals.com)

Bundesministerium für Gesundheit (2021). Die kognitive Verhaltenstherapie. Gesund.bund.de. Essstörungen – wenn Essen zur Belastung wird | gesund.bund.de

Bundesministerium für Gesundheit (2020). Essstörungen: Wenn Essen zur Belastung wird. Gesund.bund.de. Essstörungen – wenn Essen zur Belastung wird | gesund.bund.de

Nadja Widmer

Studentin Humanmedizin
Medizinische Content-Providerin (MED4LIFE)