Trauer ist grausam. Trauer ist individuell. Nach einer gewissen Zeit der Trauer stellt sich ein seltsames Gefühl ein. Man fragt sich oft, was die Person um die man trauert, in dieser Situation gewollt hätte. Viele fragen sich auch, ab wann sie nach einem Trauermoment wieder glücklich sein „dürfen“. Dieser Artikel soll diese psychologischen Themen aufgreifen und Denkanstösse für Betroffene liefern.
Ich habe mich bewusst für Denkanstösse und nicht für beispielsweise einen „Leitfaden“ entschieden. Jede Person trauert anders, zeigt dies anders und verarbeitet die Situation auf andere Weise. Diese Individualität erschwert auch den medizinischen Umgang mit Trauer. Einerseits ist es enorm schwierig, eine trauernde Person bei Bedarf adäquat und den Wünschen entsprechend zu unterstützen und zu begleiten. Andererseits sind Trauerratgeber oftmals sehr vage formuliert oder basieren einfach auf persönlichen Meinungen und Erfahrungen. Das sind zwei Faktoren, welche den Umgang mit Trauer für Aussenstehende erschweren.
Man kann aber auch in der so individuellen Trauer einheitliche Züge und Tendenzen ausmachen. In diesem Artikel möchte ich mich jedoch nicht primär auf die Trauer selbst, sondern auf den Zeitraum um das Ende der intensivsten Trauerzeit fokussieren. Denn hier lässt sich einer dieser erwähnten einheitlichen Züge im Rahmen der Trauer feststellen: Fast jede trauernde Person hinterfragt in dieser Zeit der Trauer ihr eigenes (Trauer-)Verhalten. Wann darf man beispielsweise nach dem Tod der Grossmutter, die man geliebt habt, wieder aufrichtig glücklich sein? Weil die Trauer ein Prozess und kein Event ist, gibt es keinen festgelegten Zeitpunkt. Doch es gibt Optionen.
Versuchen Sie, wenn für Sie der erste intensivste Trauermoment bewältigt zu sein scheint (Auch hierzu gibt es keinen Zeitplan! Das können zwei Tage, zwei Wochen oder auch zwei Monate sein) bewusste Räume der Trauer zu schaffen und sich im Alltag zunehmend von der Trauer loszulösen. Diese bewussten Zeiten der Trauer können beispielsweise nach der Arbeit oder vor dem Schlafengehen sein. Das bewusste Trauern hilft Ihnen, dass die Trauer im Alltag nicht weiter Überhand nimmt und Sie sich dennoch ganz bewusst mit sich, Ihrer Trauer und der Person, um die Sie trauern, auseinandersetzen. In diesem Zeitraum darf die gesamte Aufmerksamkeit dem Trauern gewidmet werden. Wichtig ist, dass Sie diesen Raum der Trauer zeitlich festlegen. Diese Zeitdauer ist individuell wählbar. Für gewisse Personen können das fünf Minuten intensive Auseinandersetzung mit der Trauer sein, andere können Stunden dafür brauchen.
Abschliessend soll nun auf die Verhältnismässigkeit von Trauer eingegangen werden. Oft wird man als trauernde Person danach bewertet, wie man mit der Trauer umgeht. Dem stehe ich sehr kritisch gegenüber. Denn Trauer ist von Erinnerungen und von Emotionen geprägt und nicht rational geleitet. So kann beispielsweise für ein Kind der Tod des Hamsters eine genauso starke Trauerreaktion auslösen wie der Tod der Grossmutter, wenn es eine enge Bindung dazu hatte. Als Aussenstehende sollte man daher Emotionen der Trauer niemals bewerten oder gar abwerten. Diese Trauerbewertung geschieht oftmals nur sehr subtil, doch sie kann gerade in der bestehenden Trauersituation sehr verletzend sein.
Jil Toman
Student Humanmedizin
Medizinischer Content-Provider (MED4LIFE)